Mehr Geld für Bildung und Forschung - Rede zu Haushalt des Bundesministeriums
Haushaltberatungen zum Einzelplan 30 "Bundesministerium für Bildung und Forschung" (Drs. 16/6420 und 16/6423)
An dieser Stellen können Sie sich die Rede auf Bundestags-TV anschauen.
René Röspel (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben schon
von vielen meiner Vorredner Gutes, Sinnvolles und sicherlich auch
Erfreuliches über den Haushalt gehört.
(Ute Kumpf [SPD]: Jetzt kommt das Beste!)
Das gilt auch für die Redner der Opposition. Ich sage ausdrücklich:
Frau Flach, das war fair, wie Sie das bewertet haben. Chapeau! - Ihr
Kollege Barth kann an dieser Stelle sicherlich noch etwas dazulernen.
(Uwe Barth [FDP]: Das gilt doch wohl für uns alle! - Steffen Kampeter
[CDU/CSU]: Das gilt aber auch für manche Ihrer Kollegen da drüben,
oder?)
Ihre Aussage, dass der Haushalt für Bildung und Forschung einen Umfang
von 9,5 Milliarden Euro hat, der für Arbeit und Soziales hingegen von
125 Milliarden Euro, kann man so nicht stehenlassen. Denn allein der
Zuschuss des Bundes zur Rentenversicherung beläuft sich auf 80
Milliarden Euro.
(Otto Fricke [FDP]: Ja, und?)
- Wenn Sie sagen: „Ja, und?“, Herr Fricke, dann müssen Sie den
Rentnerinnen und Rentnern mitteilen, dass entweder ihre Rente gekürzt
oder der Beitragssatz erhöht wird. Hier machen Sie es sich etwas
einfach.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Otto Fricke [FDP]: Nein! So ist das nicht! Sie machen es sich einfach!)
Der Kollegin von den Grünen muss ich sagen: Wenn Sie im Haushalt keinen
Hinweis darauf gefunden haben, dass wir mehr für den Klimaschutz tun,
dann sollten Sie ihn sich wohl einmal genauer ansehen. Einfach zu
fordern, dass die Steinkohlesubventionen noch stärker gekürzt werden
sollten, ist sehr einfach und populistisch. Die Steinkohlesubventionen
befinden sich nämlich schon in einem regelrechten Sinkflug.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hier müssen wir im Sinne derer, die in dieser Branche abhängig
beschäftigt sind, eine sozialverträgliche Regelung treffen. Wenn Sie
fordern, dass wir noch stärkere Kürzungen vornehmen sollten, dann
müssen Sie sich auch vor die Familien im Ruhrgebiet stellen und ihnen
sagen: Euer Arbeitsplatz ist in einigen Wochen weg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das brauchen Sie aber nicht zu tun, weil Sie Landeslistenabgeordnete sind.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Röspel, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lührmann?
René Röspel (SPD):
Bitte schön.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Da sie selbst gerade erst das Wort hatte, sollte das allerdings die Ausnahme sein. - Bitte schön.
Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Da ich direkt angesprochen worden bin, muss ich an dieser Stelle
nachfragen: Herr Kollege, ist Ihnen bewusst, dass die Weltmarktpreise
für Steinkohle deutlich gestiegen sind und dass die rot-grüne Koalition
mit RAG die Vereinbarung getroffen hat, dass dann, wenn die
Weltmarktpreise steigen - das ist ja auch logisch -, geringere
Subventionen gezahlt werden? Ist Ihnen bewusst, dass Ihre Koalition von
dieser Vereinbarung abgewichen ist, indem sie nicht auf diese Regelung
bestanden hatte, und damit allein in diesem Haushaltsjahr auf Zuschüsse
in Höhe von mehr als 700 Millionen Euro verzichtet?
René Röspel (SPD):
Das ist mir sehr wohl bewusst. Das hat mit Verlässlichkeit und mit
getroffenen Absprachen zu tun. Wenn die Weltmarktpreise sinken würden,
wäre die Situation nämlich wieder eine andere; dann müsste man
nachfinanzieren.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Otto Fricke [FDP]: Nein! Wie
kann man so etwas nur behaupten? - Ulrike Flach [FDP]: Eben nicht! Das
ist falsch! Das stimmt nicht!)
Von daher glaube ich, dass Ihre Forderung eine sehr populistische
Forderung ist, die sich immer dann sehr einfach aufstellen lässt, wenn
man den Leuten, die davon in erster Linie betroffen sein würden, nicht
gegenübersteht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ohne allzu viel korrigieren zu wollen, möchte ich auch noch der
Kollegin Reiche einen kurzen Hinweis geben: Das Konzept zum
Weiterbildungssparen hängt nicht im Finanzministerium, sondern im
Wirtschaftsministerium fest. Dort kommen wir nicht weiter, weil es im
Hinblick auf die Vermögensbildung Probleme gibt.
Wir haben heute schon über sehr viele Themen diskutiert.
(Uwe Barth [FDP]: Ja! Sie haben bis jetzt aber nur dummes Zeug beigetragen!)
Wir sind uns sicherlich einig, dass Investitionen in Bildung und
Forschung unverzichtbar sind. Auch der Einsatz der öffentlichen Hand
ist in diesem Bereich unverzichtbar; denn sie - leider nicht die
Wirtschaft - ist derjenige Akteur, der die Grundlagenforschung, die in
der Regel unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht
erfolgreich ist, zum größten Teil finanziert. Lassen Sie mich ein paar
Beispiele anführen, um das konkret zu belegen:
Erstes Beispiel. Bundesforschungsministerin Bulmahn hat im Jahr 2005
den Bau von PETRA III auf den Weg gebracht. Gestern hatte Frau
Bundesministerin Schavan die Gelegenheit, in Hamburg das Richtfest für
die Experimentierhalle von PETRA III zu feiern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist ein erfreuliches Beispiel für Kontinuität im Dienst der Sache.
PETRA III wird die weltweit stärkste Speicherringquelle für
Synchrotronstrahlung sein. Mit harter Röntgenstrahlung werden künftig
kleinste Proben untersucht werden können. Das ist noch
Grundlagenforschung. Anwendungspotenziale sind aber vorhanden. Der
ganze „Spaß“ kostet uns 225 Millionen Euro. 90 Prozent davon zahlt der
Bund, 10 Prozent das Land Hamburg. Die Wirtschaft beteiligt sich nicht
an diesen Kosten.
Das zweite Beispiel. Morgen lädt das Alfred-Wegener-Institut für Polar-
und Meeresforschung zur Feier „25 Jahre Forschungs- und
Versorgungsschiff Polarstern“ ein.
(Otto Fricke [FDP]: Wer zahlt denn die Feier?)
Man könnte sich fragen: Warum muss ein Steuerzahler, der im Sauerland
oder in Bayern lebt, ein Polarforschungsschiff finanzieren? Die Antwort
ist schnell gegeben: Dieses Schiff liefert wichtige Erkenntnisse, zum
Beispiel in den Bereichen Geologie, Biologie, Meteorologie, Geophysik,
Chemie und Glaziologie. Diese Erkenntnisse sind für die Wirtschaft
möglicherweise nicht in jedem Fall interessant. Aber für die
Gesellschaft und für viele andere Länder, die davon profitieren, sind
sie unverzichtbar. Daher ist es Aufgabe des Staates, sich hier zu
engagieren.
(Beifall bei der SPD)
Warum fördert der Staat die Erforschung des GMR bzw. des
Riesenmagnetowiderstandseffekts? Nicht nur, damit Professor Grünberg
vor einigen Wochen der Nobelpreis zuerkannt werden konnte, sondern
auch, um dafür zu sorgen, dass schnellere Computer entwickelt werden;
dazu hat diese Technologie beigetragen.
Im Bundesforschungsbericht 2006 wird zu Recht festgestellt: Der Erfolg
von Produkten „made in Germany“ war insbesondere auf die staatliche,
mit der Wirtschaft abgestimmte Grundlagenforschung zurückzuführen.
Allerdings haben wir hier im Hause und in den Ausschüssen immer wieder
gemeinsam festgestellt, dass es Probleme beim Übergang von der
Forschung in die Anwendung gibt. Da hapert es. Da gibt es eine
strukturelle Lücke. Wir haben zwar eine konkurrenzfähige
Grundlagenforschung - ich glaube, das steht außer Frage -, aber häufig
fehlt den akademischen Forschungsergebnissen die notwendige Reife für
eine wirtschaftliche Umsetzung in Produkte.
An diesem Punkt hat die SPD angesetzt. Kollege Klaus Hagemann hat schon
angedeutet, dass wir die Initiative ergriffen haben, um mit der
Validierungsforschung diese strukturelle Innovationslücke zwischen
Forschungsergebnis und anwendbarem Produkt zu schließen. Zielsetzung
ist eine schnellere Umsetzung von Wissen in marktfähige Produkte und
Verfahren. Dass die Haushälter das auf den Weg gebracht haben, dafür
danke ich ihnen ausdrücklich noch einmal.
(Beifall bei der SPD)
Der Haushaltsaufwuchs ist gut und erfreulich. Es geht aber nicht nur um
die Quantität - das ist die eine Sache -, sondern auch um die Qualität.
Darauf achten wir. Es ist nicht nur die Frage, wie viel, sondern wofür
man Geld ausgibt.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist immer so!)
Die Qualität von Forschung kann nur gesichert werden, wenn man weiter
in Bildung und Ausbildung investiert. Das sind die zentralen Pfeiler
unseres Erfolgs und Wohlstands.
Die SPD hat dafür gesorgt, dass der Bund seine Verantwortung wahrnimmt.
Wir haben einerseits vor einigen Jahren zusammen mit den Grünen ein
Programm mit einem Umfang von 4 Milliarden Euro zur Errichtung von
Ganztagsschulen auf den Weg gebracht. Auf der anderen Seite gehen wir
auch mit der BAföG-Erhöhung den richtigen Weg und investieren mehr in
Bildung und Ausbildung. Wir wollen Bildung unabhängig von der Herkunft.
Die Kollegin Schmidt hat mich in der letzten BAföG-Debatte mit ihrem
Satz beeindruckt, wir müssten mit dem Prinzip brechen, dass aus
Akademikerkindern Akademiker und aus Arbeiterkindern Arbeiter werden.
Das ist eine Verschwendung von Ressourcen und ist ungerecht.
(Beifall bei der SPD)
Mit Entsetzen schaue ich deswegen in einige Bundesländer, die genau das
Gegenteil machen. Über die Einführung von Studiengebühren in
Nordrhein-Westfalen wird wieder eine soziale Verschärfung herbeigeführt.
Ich bin froh darüber - das war ein wichtiger Erfolg -, dass Vizekanzler
Müntefering in Meseberg das Programm „Jugend in Arbeit und Ausbildung“
in der Koalition durchgesetzt hat.
(Beifall bei der SPD)
Wir wollen nicht hinnehmen, dass immer mehr Jugendlichen der Zugang in
diese Gesellschaft dadurch verwehrt wird, dass sie keine Ausbildung
bekommen. Jeder einzelne Jugendliche ohne Ausbildungsplatz ist ein
Skandal, aber wenn 300 000 Jugendliche Altbewerber sind, also schon im
letzten Jahr keine Ausbildungsstelle bekommen haben, dann besteht die
Gefahr, dass sich hier sozialer Sprengstoff entwickelt. Für uns als SPD
bleibt das Thema auf der Tagesordnung.
Der Haushalt ist in Ordnung. Wir werden mit Olaf Scholz und zusammen
mit der Ministerin an den Problemfeldern Altbewerber, Ausbildungsplätze
und Chancen der Jugend weiterarbeiten. Wir freuen uns, dass wir ab
morgen für den nächsten Haushalt wieder gut arbeiten können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der FDP: Sechs! Setzen!)