Mein Vater musste als 10jähriger wegen der Nazis seine ostpreußische Heimat verlassen, als Flüchtling halb Europa durchqueren und in Westfalen – dort zunächst nicht gerade willkommen – ohne Schul- und Berufsabschluss schon früh durch Arbeit sein (Über-)Leben sichern. Meine Mutter machte nach der Volksschule – zu mehr reichte das Geld nicht - eine Lehre als Einzelhandelskauffrau. Beide zusammen haben Zeit ihres Lebens für ihre Familie bis zur Rente gearbeitet. Wer in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts fleißig war, konnte sich einen kleinen Wohlstand erarbeiten.
Ich habe unterschiedliche Formen von Arbeit erlebt. Meine Eltern haben mir als erstem der Familie (und zweitem einer sehr großen Sippe) nach der Realschule das Abitur ermöglicht. Mein Plan, nach dem 15monatigen Wehrdienst ein Bauingenieur-Studium zu beginnen, platzte, weil mein Vater plötzlich erkrankte. Meiner Mutter zuliebe hatte ich (spaßhalber) schon vorher mal eine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz abgeschickt, den ich aber nie ernsthaft antreten wollte. Da kam dann eine Zusage – aber erst für das darauf folgende Ausbildungsjahr. Jetzt hieß es erstmal, Geld verdienen. Neun Monate lang habe ich als Hilfsarbeiter meinen Vater als Schulhausmeister an meiner alten Realschule vertreten. Hier waren dicke Nerven im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern nötig. Den Dreck Anderer wegmachen. Respekt vor Putzkräften und ihrer Arbeit zu haben, hatte ich schon als Kind gelernt – getreu dem alten sozialdemokratischen Spruch: Niemandes Knecht – und niemandes Herrn!
Dann die kaufmännische Ausbildung in einem großen Düsseldorfer Versicherungsunternehmen. Einen Beruf haben, wenn es mit dem Studieren nicht klappt. Auch wenn ich nie ins Büro wollte - und schon gar nicht Versicherungen! Morgens früh um 05.30 Uhr zum Hauptbahnhof, nach 18:00 Uhr wieder zu Hause. Büroarbeit, stupides Aktensortieren, aber auch Einsicht und Einarbeitung in einfache juristische Sachverhalte (nur einmal eine (geliehene) Krawatte getragen – und trotzdem Angebot zur Festanstellung).
Nach bestandener Kaufmannsgehilfenprüfung musste ich noch fünf Monate Restzivildienst (bei der Caritas) ableisten, weil ich erst sehr spät in 3. Instanz vor Gericht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt wurde. Ganz andere Arbeit in einem großen Wohlfahrtsverband. Mit Menschen, die mit Menschen arbeiten. Nicht, um damit Geld zu verdienen. Sondern aus Interesse am Anderen – und aus Sorge.
Dann (endlich) das lang geplante Studium. Über Insektenfotografie und Umweltpolitik war mein Interesse für die Biologie gewachsen (obwohl ich den Grundkurs in der Schule scheußlich und "ausreichend" fand). Also ohne Voraussetzungen in Bio, Chemie und Physik das Wagnis aufnehmen und Neues lernen. Nix mit Käfergucken, sondern experimentelle molekularbiologische Diplomarbeit, Hauptfach Biochemie und Biophysik. Anschließend deutschlandweite Jobsuche – Angebote aus Münster, Marburg und Martinsried. Ich entschied mich, im Ruhrgebiet zu bleiben und nahm eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt am Uniklinikum in Essen an: Warum lagert sich der menschliche Embryo in die Gebärmutter ein? Warum schaffen es metastasierende Krebszellen, aus Gefäßen heraus in Gewebe einzuwandern? Die Biochemie im Institut aufbauen, neue Methoden lernen, neue Verfahren entwickeln. Disziplin, Kreativität, Durchhaltevermögen, lange Arbeitstage (und -nächte), wenn es der Versuch erforderte, Fehler suchen, eingestehen und aus ihnen lernen für das nächste Experiment auf dem Weg zur Lösung. Die eigene Arbeit immer wieder in Frage stellen und überlegen, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist.
In den unterschiedlichsten (Arbeits-)Zusammenhängen ist mir klar geworden: Arbeit ist nicht nur Broterwerb, sondern auch wesentlicher Teil eines selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Lebens, trägt zum Selbstwertgefühl bei, ist Teamwork und Kreativität, bedeutet Anerkennung, aber auch Respekt gegenüber der Leistung des Anderen – von der Putzfrau bis zur Professorin. Arbeit schafft Verantwortung und braucht Rechte. Und soll Menschen weiterbringen im Leben. Eine Einstellung, die mich bei der Sozialdemokratie heimisch sein lässt!
Die SPD als treibende Kraft für gute Arbeit
Arbeit wertschätzen – Der Erfolg unseres Landes beruht darauf, dass viele Frauen und Männer täglich ihr Bestes geben.
Wären mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in starken Gewerkschaften organisiert, könnten viele Fortschritte zwischen den Sozialpartnern besser verhandelt werden. So aber müssen wir gesetzlich Mindeststandards wie den Mindestlohn festlegen, um Betroffene zu schützen - und fairen Wettbewerb zu ermöglichen.
Seit dem 01. Januar 2015 haben alle volljährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf 8,50 Euro Mindestlohn, der 2017 auf 8,84 Euro und zum 1. Januar 2019 nochmal um 35 Cent auf 9,19 Euro erhöht wurde (empfohlen durch die Mindestlohnkommission). 4 Mio. Menschen profitieren vom Mindestlohn. Für sie bedeutete die Einführung des Mindestlohns eine Lohnerhöhung von rund 18 %. Horrorszenarien vor der Einführung wie „Der Mindestlohn vernichtet Jobs!“ haben sich nicht bestätigt – im Gegenteil: Der Mindestlohn hat viele Jobs besser gemacht. Er wirkt insbesondere der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern entgegen. 2/3 der Beschäftigten, die durch den Mindestlohn mehr Geld bekommen, sind Frauen.
Das reicht uns aber nicht, weshalb wir in der 18. Wahlperiode das "Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst" (Frauen-/Geschlechterquote) durchgesetzt haben: Für Neubesetzungen von Aufsichtsräten in börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen gilt seit 2016 eine verbindliche Frauenquote von 30 %. Ansonsten bleibt der Posten unbesetzt („leerer Stuhl“). Unternehmen mit Bundesbeteiligung werden mit gutem Beispiel vorangehen – hier gilt auch seit 2016 in Aufsichtsgremien die Geschlechterquote. Wir sorgen für mehr Gleichstellung in der Arbeitswelt und für weiblichere Führungsetagen in Deutschlands Organisationen! Außerdem müssen Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigen diesen auf Anfrage mitteilen, nach welchen Kriterien sie bezahlt werden. Durch die größere Transparenz bei Entgeltregelungen sollen verdeckte Benachteiligungen von Frauen erkannt werden. Bis zu 14 Mio. Beschäftigte profitieren. Dieses „Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit“ ist ein großer Schritt hin zu unserem Ziel: Gleicher Lohn für Frauen und Männer!
Um den Menschen mehr Sicherheit und neue Chancen zu geben – auch wenn sich das Leben mal unerwartet verändert, haben wir auch wichtige Schritte unternommen, damit sich Arbeit der neuen Situation anpassen kann. Ab dem 1. Januar 2019 ist die Brückenteilzeit in Kraft: Beschäftigte haben jetzt das Recht, ihre Arbeitszeit für eine begrenzte Zeit (zwischen einem und fünf Jahren) zu reduzieren (z. B. um Angehörige zu pflegen, sich ehrenamtlich zu engagieren oder weil sie mal etwas Zeit für sich brauchen). Die SPD hat auch dafür gekämpft, Beschäftigten mehr Sicherheit bei Arbeit auf Abruf zu geben. Arbeitgeber sind seit dem 1. Januar 2019 verpflichtet, mindestens 80 % der vereinbarten Zeit abzurufen. Und auch Beschäftigte (z. B. in der Gastronomie oder Leiharbeit), die nur für kurze Zeit Arbeit finden, schützen wir in Zukunft besser: Sie bekommen nun Arbeitslosengeld I, wenn sie innerhalb von 30 Monaten insgesamt 12 Monate versichert waren. Bisher musste die Mindestversicherungszeit innerhalb von nur 24 Monaten erfüllt werden.
Und noch eine weitere Forderung konnte die SPD nach langen Verhandlungen mit der Union in dieser Wahlperiode durchsetzen: Zum 1. Januar 2019 haben wir einen öffentlich geförderten sozialen Arbeitsmarkt mit individuellen Unterstützungs- und Betreuungsangeboten für Langzeitarbeitslose einführen können. Wir haben damit keine neuen 1-Euro-Jobs geschaffen, sondern reguläre, sozialversicherungspflichtige Jobs in der Wirtschaft, in sozialen Einrichtungen und bei Kommunen. Für mich war das ein wichtiger Punkt, einer Großen Koalition zuzustimmen. Allerdings ist die gefundene Regelung ein Kompromiss. Ich setze mich weiter dafür ein, den Zugang zu diesem sozialen Arbeitsmarkt zu erleichtern (z. B. damit man als Voraussetzung nicht erst sechs Jahre arbeitslos sein muss) – auch als Weg für Menschen mit Behinderung z. B. aus einer Werkstatt. Und ich möchte die zeitliche Begrenzung aufheben: Es ist besser, zehn Jahre zufrieden sozialversicherungspflichtig arbeiten zu können als nach fünf Jahren wieder zu Hause sitzen zu müssen.
Viele Errungenschaften der letzten Jahrzehnte waren nur mit Hilfe starker Sozialpartner, wie den Gewerkschaften, möglich. Gute Tariflöhne und handlungsfähige Sozialpartner sind auch in Zukunft das Ziel der SPD. Bereits in der vergangenen Wahlperiode haben wir uns dafür eingesetzt, dass ausgehandelte Tarifverträge jetzt auch einfacher für Beschäftigte und Arbeitgeber der jeweiligen Branche gelten, die nicht organisiert sind – Tarifverträge können also jetzt leichter allgemeinverbindlich erklärt werden. Dies gilt auch für branchenweite Mindestlöhne. Wir haben außerdem die Tarifeinheit gestärkt. Seit 1957 galt in Deutschland der Grundsatz "ein Betrieb, ein Tarifvertrag", bis das Bundesarbeitsgericht diese Regel 2010 aufgehoben hat. Wir haben den Grundsatz jetzt auf eine neue gesetzliche Basis gestellt. Jetzt gilt wieder: Wollen zwei konkurrierende Gewerkschaften dieselbe Beschäftigtengruppe vertreten, soll künftig diejenige den Vorzug bekommen, die in dem betreffenden Betrieb die meisten Mitglieder hat.
Arbeit wird sich wandeln und neue Dienstleistungen und Produktionsverfahren entstehen. Auch durch die rasanten Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) wird sich unsere Arbeitswelt verändern. Wir wollen nicht, dass der Mensch in den Hintergrund gedrängt wird und sich lediglich veränderten Arbeitsbedingungen anpassen muss. Wir wollen mit „Arbeit 4.0“ erreichen, dass Menschen lange gesund und zufrieden arbeiten können. Deshalb haben wir neue (Forschungs-)Programme für die Arbeit und Produktion von morgen auf den Weg gebracht. Um die Beschäftigen für die Arbeit von morgen fit zu machen, haben wir die Weiterbildung in den Mittelpunkt gerückt. Seit dem 01. Januar 2019 haben Beschäftigte umfassenden Zugang zur Weiterbildungsförderung der Bundesagentur für Arbeit.
Als Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz - Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale geht es mir darum neue Technologien dem Menschen und der Gesellschaft dienlich zu machen und nicht umgekehrt. Gefahren müssen minimiert und die Chancen zum Wohle der Menschen genutzt werden. Viele Fragen sind zu bearbeiten: Wie stellen wir sicher, dass Maschinen nicht über Menschen entscheiden? Was bedeutet KI für bestimmte Berufe? Wo fallen Arbeitsplätze weg, wo entstehen neue? Wie muss die Veränderung gestaltet werden? Wie sieht Mitbestimmung künftig aus? Wir werden über die rechtlichen Fragen, Chancen und Gefahren von KI zum Herbst 2020 einen Bericht vorlegen.
Auch in dieser Wahlperiode haben wir bereits viel erreicht – aber wir haben noch viel vor: Einschränkung willkürlicher Beschäftigung, Mindestausbildungsvergütung für Auszubildende, Nationale Weiterbildungsstrategie oder die weiterhin dringend notwendige Aufwertung sozialer Berufe. Hier auf meiner Homepage informiere ich Sie gerne über aktuelle Initiativen und Gesetzgebungsverfahren aus dem Bereich „Arbeit“. Ich freue mich über Ihr Interesse und stehe Ihnen für Fragen gerne zur Verfügung.