Rede zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands
Rede zum Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2007 und Stellungnahme der Bundesregierung (Drs.16/5823), zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD "IKT 2020: Gezielte Forschungsförderung für zukunftsträchtige Innovationen und Wachstumsfelder im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)" (Drs. 16/5900) sowie zum Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN "Innovationsfähigkeit stärken durch Bildungs- und Forschungsoffensive" (Drs. 16/5899)
René Röspel (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Schade, Frau Pieper, Sie fingen so gut an mit dem berechtigten Lob für die Situation in Deutschland - die Selbstkritik haben wir noch vor uns; die werden wir auch üben -, und dann verfielen Sie leider wieder in das übliche Mäkeln und Schwarzmalen.
(Jörg Tauss [SPD]: Ja, unglaublich! Mäkeln macht hässlich! - Gegenruf des Abg. Rainer Brüderle [FDP]: Tauss ist wach! Guten Morgen, Herr Tauss!)
Wenn Sie einmal in den Bericht hineingeschaut hätten - er ist wirklich schön bunt gedruckt, und man findet viele gute Statistiken -, dann hätten Sie gesehen, dass zu der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung die Investitionen in Forschung und Entwicklung zurückgegangen sind, gesenkt worden sind, am Boden lagen.
(Beifall bei der SPD)
Erst wir haben es geschafft, die Investitionen seit wenigen Jahren, langsam genug, wieder nach oben zu fahren. Man kann zwar die Situation bemängeln, aber der Blick zurück und das Fassen an die eigene Nase sind mitunter sinnvoll und auch lehrreich.
Wir diskutieren heute über den Bericht zur technologischen
Leistungsfähigkeit Deutschlands 2007. Deutschland ist zum vierten Mal
hintereinander Exportweltmeister. Frau Ministerin hat zu Recht gesagt:
Forschungsintensive Industriewaren im Volumen von 428 Milliarden Euro
sind im Jahr 2005 aus Deutschland in andere Länder geliefert worden.
Damit sind wir Technologieexporteur Nummer eins in der Welt. Die
Unternehmen, die viel in Forschung und Entwicklung investieren, die
sogenannten F-und-E-intensiven Wirtschaftszweige, sind der wesentliche
Träger unseres Produktionswachstums.
Deutschland ist gut bei den klassischen Industriezweigen Automobilbau,
Chemie, Maschinenbau. Wir haben aber nur eine ausgeglichene
Handelsbilanz - das ist natürlich per se nicht schlecht - bei den
Spitzentechnologien in anderen Bereichen. Da haben wir deutlichen
Nachholbedarf. Der Kollege Tauss wird gleich über die Initiative der
Koalitionsfraktionen zu Informations- und Kommunikationstechnologien -
da müssen wir wirklich viel machen - berichten.
Ein Kapitel des Berichts bezieht sich auf die Umweltwirtschaft, ein sicherlich wichtiger Faktor: Rund 5 Prozent aller Unternehmen in Deutschland befassen sich mit Umwelttechnik und Umwelttechnologien; 4,8 Prozent der gesamten Industrieproduktion und drei Viertel aller wissens- und forschungsintensiven Unternehmen entstammen diesem Bereich. Nach Auskunft des Berichts sind diese Unternehmen überdurchschnittlich innovativ. Deutschland besitzt im Bereich der Umwelttechnologie einen Weltmarktanteil von 16 Prozent; damit sind wir größter Exporteur von Umwelttechnologiegütern vor den USA. Trotzdem verläuft die Entwicklung der Branche - das steht ja auch im Bericht - schleppend. Sie könnte deutlich besser laufen.
Dynamische Komponenten im Umweltbereich gibt es allein im Bereich Klimaschutz - das seit neuem, seitdem die Diskussion zu Recht aufgenommen worden ist - und im Bereich regenerative Energien. In letzterem Bereich ist unser Anteil am Welthandel seit der Jahrtausendwende deutlich gestiegen und steigt weiterhin. Das ist übrigens ein gutes Beispiel für staatliche Lenkungs- und Regulierungsmaßnahmen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, unter Rot-Grün geschaffen, ist - das wird deutlich im Bericht hervorgehoben - nicht nur gut für Klima und Umwelt. Dass wir in erneuerbare Energien, in Solar- und Windenergie investiert haben, ist auch gut für die Wirtschaft und damit für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Dennoch bleibt eine Vielzahl an Fragen offen. Wenn man sich den Anteil der Investitionen in Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt anschaut - das wird auch im Bericht ausgeführt -, so stellt man fest, dass wir hinter anderen Ländern hinterherhinken. Schweden, Finnland, Japan, Korea, die Schweiz und die USA investieren deutlich mehr in Forschung und Entwicklung als Deutschland. Trotzdem sind wir Exportweltmeister.
Es ist zwar gut, mehr Investitionen in FuE zu tätigen, es müssen aber auch andere Parameter eine Rolle spielen, weil allein die Investitionen in Forschung und Entwicklung demnach nicht dazu führen können, dass man Exportweltmeister wird. Auf dem Forum Bildung der SPD vor einigen Wochen hat Professor Bosch vom Institut für Arbeit und Qualifizierung der Universität Duisburg-Essen einen interessanten Vortrag gehalten. Er hat gesagt - ich darf zitieren -: Das Geheimnis unserer Wettbewerbsstärke liegt in der Diffusion von Innovation durch die enge Kooperation von Entwicklern und qualifizierten Machern.
Was heißt das? Das heißt zum Beispiel, dass in den USA und Großbritannien die mittlere Führungsebene in den Unternehmen von gut ausgebildeten Ingenieuren oder Wissenschaftlern, die an der Universität gelernt haben, besetzt wird. Diese haben profunde Kenntnis in theoretischen Fragen. In den deutschen Unternehmen ist das häufig anders: In der mittleren Führungsebene finden sich hochqualifizierte Meister und Techniker, die gut ausgebildet sind und eine lange Erfahrung haben. Das sind die Macher, die Projekte umsetzen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das heißt, wenn wir an dieser Stelle von Technologieförderung und Leistungsfähigkeit reden, dürfen wir uns nicht allein auf die Investitionen in Forschung und Entwicklung konzentrieren, sondern wir müssten eigentlich diesen Bericht zusammen mit dem Bundesbericht Forschung und dem Nationalen Bildungsbericht zusammen diskutieren, weil das ein Gesamtpaket ist und eine Gesamtbetrachtung notwendig ist.
(Beifall bei der SPD)
Wichtig ist nämlich, dass gut ausgebildete Fachkräfte von der Universität und solche aus dem dualen Berufsbildungssystem, für das Deutschland steht, zusammenkommen und zusammenarbeiten. Verantwortung dafür tragen gleichermaßen die Unternehmen und die Politik. Die Unternehmen haben die Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, damit möglichst viele junge Menschen - einige sind ja auch hier bei der Debatte anwesend - eine Chance haben, einen Ausbildungsplatz zu finden und anschließend einen Beruf zu ergreifen,
(Beifall bei der SPD)
und vielleicht auch noch die Chance bekommen, sich
weiterzuqualifizieren und gute Meisterinnen und Meister sowie
Technikerinnen und Techniker zu werden - genau die brauchen wir nämlich
in der mittleren Führungsebene - oder ein Studium aufzunehmen. Dafür,
jungen Leuten ein Studium zu ermöglichen, trägt im Wesentlichen die
Politik die Verantwortung.
Das läuft leider nicht in allen Bundesländern gut. In meinem Heimatland
Nordrhein-Westfalen, CDU/FDP-regiert, wird von der Abschaffung der
Grundschulbezirke bis zur Einführung von Studiengebühren die
Ausbildungsauslese leider verschärft. Das heißt, die Möglichkeiten für
Kinder aus Arbeitnehmerfamilien bis hin zu Familien aus der
Mittelschicht, ein Studium aufzunehmen, verschlechtern sich deutlich.
(Zuruf der Abg. Ulrike Flach [FDP])
Aufgrund der schon vorliegenden Anmeldezahlen, Frau Flach, lassen sich schon Vergleiche anstellen: Die Zahl der Studienanfänger in NRW ist um 3,9 Prozent zurückgegangen. Das Talent zählt immer weniger und der Geldbeutel immer mehr.
Für uns von der SPD bleibt dagegen klar: Wir wollen mehr Ausbildung in den Betrieben als wesentlichen Bestandteil unseres Systems. Wir wollen mehr Bildung für alle von Anfang an. Deswegen haben wir frühkindliche Bildung und Förderung auf den Weg gebracht und für einen Ausbau von Ganztagsschulangeboten gesorgt. Wir haben das höhere BAföG durchgesetzt und werden daran festhalten, damit Bildung eben nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt.
(Beifall bei der SPD)
Wir werden uns auch für das Meister-BAföG einsetzen.
Ich bin froh, dass in dem Bericht diese Gesamtbetrachtung nachvollzogen
wird. Dort steht nämlich - dieses kurze Zitat sei mir erlaubt -:
Langfristig sollte ein deutlich höherer Anteil der Schülerinnen und
Schüler zur Studienberechtigung ausgebildet werden, was allerdings
einen grundlegenden Wandel des deutschen Bildungssystems nötig macht:
(Beifall bei der SPD - Zuruf vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aha!)
eine Abkehr von der bisher auf Auslese ausgerichteten Bildungsphilosophie ... zur größtmöglichen Förderung.
Das ist erforderlich, damit wir kein einziges Talent - unabhängig davon, aus welchem Elternhaus es kommt - liegen lassen.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Wenn wir in die Menschen investieren, investieren wir in die Technologieförderung. Beste Bildung heißt beste Technologie.
Vielen Dank.