Gemeinsame Planung der Forschungsprogramme - Rede zur EU-Forschungsplanung
Zu Protokoll gegebene Rede zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Gemeinsame Planung der Forschungsprogramme: bessere Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen durch Zusammenarbeit" vom 26.03.2009
Das Europäische Parlament hat 2006 für den Zeitraum des 7.
Forschungsrahmenprogramms von 2007 bis 2013 über 50 Milliarden Euro an
Haushaltsmitteln bereitgestellt. Das ist mehr als eine Verdoppelung des
Budgets des 6. Rahmenprogramms. Mit diesen Geldern werden zum Beispiel
die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern zu
einem Thema unterstützt oder die Grundlagenforschung von
Spitzennachwuchswissenschaftlern durch den Europäischen Forschungsrat
finanziert. Im Durchschnitt gibt die Europäische Kommission bis 2013
jedes Jahr ca. 7 Milliarden Euro für Forschung aus. Das ist viel Geld.
Aber auch gut angelegtes.
Das diesjährige Budget des deutschen Ministeriums für Bildung und
Forschung liegt, nach einer ordentlichen Steigerung, bei über zehn
Milliarden Euro. Davon gehen 3,5 Milliarden in die Projektförderung und
3,9 Milliarden Euro werden für die Förderung der großen
Forschungseinrichtungen verwendet. Hinzu kommen Gelder der
Bundesländer. Natürlich finanzieren auch alle anderen europäischen
Mitgliedsstaaten nationale Forschungsprojekte. Einige mehr, andere
weniger. Ca. 85 Prozent aller öffentlichen Forschung wird innerhalb der
Europäischen Union auf nationaler Ebene geplant und finanziert. Im
Verhältnis dazu wirkt das 7. Forschungsrahmenprogramm somit gleich viel
kleiner.
Es gibt Themen, die auf Grund ihrer Komplexität oder auch wegen ihrer
gesellschaftspolitischen oder internationalen Bedeutung
forschungspolitisch nicht von einem Staat allein gelöst werden können.
Ein Beispiel wäre die Forschung im Bereich des Klimawandels, denn dies
betrifft alle Staaten. Aber auch die Finanzierung von Großprojekten wie
X-FEL bei Hamburg kann nur von mehreren Staaten gemeinsam geleistet
werden. Deshalb arbeitet Deutschland mit vielen Ländern, auch außerhalb
der Europäischen Union, im Bereich Forschung bereits jetzt sehr eng
zusammen.
Die Europäische Kommission ist der Meinung, dass die
Forschungskooperation stärker ausgebaut werden müsste. Und da das
meiste Geld für Forschung, wie oben beschrieben, nicht durch die
Kommission, sondern durch die Mitgliedsstaaten vergeben wird, sollen
die Mitgliedsstaaten ihre Programme besser auf einander abstimmen. Sie
empfiehlt auf der Basis der Freiwilligkeit und der variablen Geometrie
gemeinsame Forschungsprogramme zu definieren, zu entwickeln und
umzusetzen. Die „Koordinierung der Koordinierung“ will die Kommission
dabei selbst übernehmen.
Prinzipiell ist der Aufruf zu einer engen Forschungskooperation
natürlich zu begrüßen. Und sie ist in der Praxis ja auch schon
alltägliches und notwendiges Geschäft. Wir als SPD glauben aber, dass
der von der Kommission vorgeschlagene Weg nicht der richtige ist. Damit
stehen wir nicht allein. In Vorbereitung für diesen
Entschließungsantrag haben wir alle deutschen Forschungsorganisationen
um eine Stellungnahme gebeten. Herr Prof. Rietschel beispielsweise,
Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, bringt es in seiner Antwort auf den
Punkt: „Auch ich betrachte die derzeitigen forschungspolitischen
Entwicklungen in Europa in Teilen mit Sorge.“ Alle
Forschungsorganisationen sehen die von der Kommission propagierte
Gemeinsame Forschungsplanung eher kritisch.
Anbei möchte ich einige der Hauptkritikpunkte aus den Antwortschreiben nennen, die wir teilen:
Solche einstimmige Kritik ist selten und darf nicht überhört werden. Aus diesem Grund haben wir SPD-Forschungspolitiker gemeinsam mit den Kollegen der Union den vorliegenden Antrag in denAusschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung eingebracht. Besonders gefreut hat es mich, dass dieser dort einstimmig, sprich von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages, beschlossen wurde. Auch der Bundesrat und die Bundesregierung haben bereits zur Gemeinsamen Programmplanung kritisch Stellung bezogen. Die Gemeinsame Programmplanung wird somit sowohl von der gesamten deutschen Wissenschaft wie auch allen Forschungspolitikern als kritisch eingeschätzt.
Die Bundesregierung hat bereits im Dezember letzten Jahres ihre Kritik an der Gemeinsamen Programmplanung in Brüssel sehr deutlich vorgetragen. Ein Resultat war die Schlussfolgerung des Wettbewerbsrates vom 2. Dezember 2008, in dem einige deutsche Verbesserungsvorschläge aufgenommen wurden. Grundlegende Probleme bestehen an der Gemeinsamen Programmplanung aber nach wie vor. Entscheidend wird jetzt sein, wie sich die Detaildiskussionen entwickeln. Wir schicken die Bundesregierung jetzt mit Forderungen und einem starken Mandat in diese Verhandlungen. Wir wollen, dass erst die Erfahrungen und Evaluationen mit den neu geschaffenen Initiativen und Einrichtungen abgewartet werden, bevor neue Maßnahmen aufgebaut werden.
Und wir wollen bei aller Sinnhaftigkeit Gemeinsamer Programmplanung die Kompetenz der Mitgliedstaaten bei der Forschungsförderung und das Subsidiaritätsprinzip wahren.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, dass auch das forschungsstarke Deutschland in den letzten Jahrzehnten von der europäischen Forschungsförderung sehr profitiert hat. Deshalb ist uns zum Beispiel auch die Zukunft des Forschungsrahmenprogramms sehr wichtig. Es geht uns hier also nicht darum, die gesamte EU-Forschungsförderung zu kritisieren. Aber wenn das Konzept der EU-Kommission für eine Gemeinsame Programmplanung im so großen, die europäische Idee mittragenden Mitgliedstaat Deutschland so klar von Wissenschaft und Politik abgelehnt wird, dann muss auch in Brüssel umgedacht werden.
Erlauben Sie mir bitte an dieser Stelle einmal, meinem Mitarbeiter Richard Müller für die Recherche und Vorbereitung dieser Rede ganz herzlich zu danken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Quelle:
Deutscher Bundestag 2009, Plenarprotokoll 16/214 vom Donnerstag, den 26. März 2009
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/16/16214.pdf