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Leserbrief zum "Social Freezing" in der Westfälischen Rundschau/Westfalenpost

Zum Artikel „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ in der WR/WP vom 18.6.2016

18.06.2016

 

Ein wenig gewundert habe ich mich über den unkritischen Artikel, dessen Überschrift treffender „Aufgeschoben ist am Ende schnell aufgehoben!“ hätte lauten müssen. Überrascht hat mich, dass mit keinem Wort die Probleme und die unbefriedigende Erfolgsrate von künstlicher Befruchtung (IVF) erwähnt wurde (ich lasse die medizinisch begründeten einmal weg!), sondern sogar der Eindruck erweckt wird, man könne „social freezing“ - also das Einfrieren der Eizellen, um sie dann später, im Alter von 40 oder darüber, für eine IVF zu benutzen - z.B. „für die eigenen Vorstellungen von der Karriereplanung“ nutzen und dann mal eben noch mit 40 Mutter werden.

Mit keinem Wort wird erwähnt, dass eine IVF mit hormoneller Überstimulierung, Gewinnung der Eizellen und Einbringung der befruchteten Embryonen in die Gebärmutter („Zyklus“) selbst für jüngere Frauen keine normale Behandlung darstellt und sogar eine Tortur mit mäßiger Erfolgsrate sein kann: Nach dem Deutschen IVF-Register (Jahrbuch 2014) wurden etwa 88.000 Zyklen gebraucht, um rund 10.000 Geburten zu erzielen. Optimistisch gerechnet gehen nach einer Behandlung drei von vier Frauen weiterhin kinderlos nach Hause. Eine Wahrscheinlichkeit von 72 %, eine Lebendgeburt zu erhalten, erreicht die Frau nach sechs Zyklen (ebda.) für unter 35jährige Frauen.

Mit zunehmendem Alter sinkt die Erfolgsrate und steigen die gesundheitlichen Risiken für die Frau. Zu den gesundheitlichen und gesellschaftlichen  Konsequenzen haben übrigens die Enquete-Kommission des Bundestages und der Deutsche Ethikrat intensiv beraten – auch mit Betroffenen und Sachverständigen, die nicht mit diesen Methoden ihr Geld verdienen.

Unabhängig von diesen Überlegungen zu den Methoden der Fortpflanzungsmedizin halte ich es nicht für akzeptabel, dass über solche Verfahren zunehmender Druck auf Frauen ausgeübt wird, ihre Karriere nur erfolgreich gestalten zu können, wenn sie (großzügig vom Arbeitgeber finanziert) ihren Kinderwunsch in das Eisfach ihrer zweiten Lebenshälfte verschieben! Nicht die Technologie kann hier das gesellschaftliche Problem lösen, dass Familien- und Karriereplanung noch schwierig kombinierbar sind. Wenn richtigerweise auch immer mehr Männer Familienverantwortung übernehmen wollen und die Mehrzahl der qualifizierten Arbeitskräfte mittlerweile Frauen sind, muss noch mehr für die frühzeitige Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan werden.

Die richtigen Antworten können nur sein: Ausbau der Kinderbetreuung, neue und flexible Arbeitszeitmodelle, Elterngeld usw., nicht aber eine teure Technologie, an deren Ende ein endgültig geplatzter Traum vom spät erfüllten Kinderwunsch stehen kann.

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: