„Wir werden von der Energiewende profitieren“
„Der Atomausstieg war in Deutschland immer nur eine Frage der Zeit“, zeigte sich Prof. Matthias Kleiner bei seinem Vortrag in der Villa Post überzeugt. Denn trotz aller Meinungsunterschiede gebe es die gemeinsame Überzeugung, dass alles Handeln nachhaltig sein müsse. Bei der technischen Innovation gehöre Deutschland daher zu den führenden Nationen, sagte Kleiner: „Beim Forschen über notwendige soziale Innovationen hat die Wissenschaft allerdings noch Nachholbedarf.“ Kleiner sprach auf Einladung des heimischen SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel im Rahmen der Reihe „Energie – Klima – Umwelt“. Kleiners Forderungen waren deutlich: „Wir müssen den CO2-Ausstoß massiv reduzieren, den Stromverbrauch deutlich senken und den Übergang zu Erneuerbaren Energien beschleunigen.“
Maschinenbau-Ingenieur Kleiner gab zu, dass ihn die Atom-Katastrophe von Fukushima völlig überrascht hat: „Ich war schockiert, dass so etwas in einem führenden technologischen Staat wie Japan passieren konnte.“ Der frühere Präsident der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft (DFG) gehörte danach der „Atom-Ethik-Kommission“ der Bundesregierung an. „Wir waren uns schnell einig, dass wir die Risiken der einzelnen Energie-Arten nicht gegeneinander aufrechnen dürfen“, sagte Kleiner: „Der Atomausstieg darf nicht als Grund für den Aus- und Neubau fossiler Kraftwerke missbraucht werden.“
Dass es Atomkraftwerke überhaupt gibt, ist für den Maschinenbau-Ingenieur unverständlich: „Für ein normales Unternehmen ist es undenkbar, eine Produktion 50 Jahre zu betreiben und immer noch nicht zu wissen, wohin mit dem Abfall.“ Kleiner ist auch davon überzeugt, dass die Energiewende keine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft bedeutet: „Im Gegenteil, wir werden davon profitieren.“ An mehreren Beispielen machte er deutlich, dass die wissenschaftliche Grundlagen-Forschung – gefördert von der DFG – schon wegweisende Ergebnisse gebracht hat. Die meisten seien allerdings noch ungenutzt. „Wir müssen viel intensiver nach Anwendungen suchen und sie politisch umsetzen“, forderte Kleiner. Strom könne aus alltäglichen Gelegenheiten gewonnen werden, das beweise der Dynamo am Fahrrad. Als Beispiele für „kreative Ideen“ nannte er einen kleines Gerät, dass beim Wandern im Rucksack Strom für den MP3-Player liefert oder eine Magnetspule in einem Fußball, die nach dem Spiel eine Energiespar-Lampe lange leuchten lässt. Durch die Weiterentwicklung solcher Erfindungen und durch „intelligenten“ Verbrauch könnten im privaten Bereich zwei Drittel der Energie eingespart werden, ist der Professor sicher: „Und das ohne Komfort-Einbuße“.
Um die Welt zu erhalten, müssten wir unser Verhalten darauf ausrichten, mahnte Matthias Kleiner seine Zuhörer: „Wenn wir hier weiter leben wollen, dürfen wir nicht mehr so weiter leben wie bisher.“
René Röspels Vortragsreihe wird am Freitag, dem 5. Juli, fortgesetzt. Dann spricht die Professorin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin) ab 18 Uhr in der Villa Post über „Kampf um Strom – kluge Energiewende“. Der Eintritt ist frei, René Röspel bittet Interessierte aber, sich aus organisatorischen >hier anzumelden.