Professor fordert „Pioniere in Wissenschaft und Politik“
„Wissenschaft ist schon sehr lange sehr weit entfernt von der Zivilgesellschaft.“ Mit diesem Satz überraschte Prof. Uwe Schneidewind die Besucher seines Vortrages „Forschung in Zeiten des Klimawandels“ nicht wirklich. Am stärksten gespürt habe man das bei den Wirtschaftswissenschaften. „Das war das große Versagen“, sagte der Leiter des „Wuppertal Instituts“, „niemand hat die Krise vorausgesehen, und anschließend haben alle weiter gemacht, als wäre nichts geschehen.“ Schneidewind, selbst Wirtschaftswissenschaftler, sprach in der Villa Post auf Einladung des heimischen SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel in dessen Reihe „Energie – Klima – Umwelt“ die in diesem Frühjahr noch mit drei Vorträgen fortgesetzt wird.
Wie weit Wissenschaft und Wirklichkeit inzwischen voneinander entfernt seien, fasste Schneidewind in einem einzigen Satz zusammen: „Die Welt hat Probleme und die Unis haben Disziplinen.“ An vielen Beispielen machte er deutlich, dass der Mensch „an den planetarischen Grenzen“ angekommen ist, sie in vielen Bereichen schon überschreitet und dadurch zum ersten Mal tatsächlich „Verantwortung für die Schöpfung“ trägt. Auch wenn es immer noch Kritiker gäbe, die zum Beispiel daran zweifeln, dass der Klimawandel von den Menschen gemacht ist, sei es „auf jeden Fall richtig, den Druck der Menschen auf die Ökosysteme“ zu verringern. Dazu sei eine Entkoppelung von Wohlstand und Naturverbrauch nötig, also eine „Öko-Effizienz“ allen Handelns. Das müsse keinesfalls auf Kosten des Wohlstands geschehen.
In Technik und Naturwissenschaften werde stark und erfolgreich geforscht, sagte Schneidewind, „soziale Innovationen“ gebe es in der Wissenschaft dagegen erst in Ansätzen. Das liege auch an der staatlichen Förderung, machte der Professor deutlich. Zwei Drittel aller Forschungsgelder des Bundes fließen heute in Unternehmen. „Muss dann das letzte Drittel auch noch an Firmen verteilt werden?“, fragte Schneidewind. Die Menschen, die die Forschung mit ihren Steuergeldern finanzieren, hätten ein Recht darauf, dass für ihre Zukunft geforscht wird.
Studien zum Thema Klimawandel lägen reichlich vor. Aber das sei nur die Beschreibung. Daraus müssten jetzt Visionen entwickelt und politische Entscheidungen getroffen werden. Ein gutes Beispiel sei das Emscher-Projekt: Die Stadt Bottrop will den CO2-Ausstoß bis 2020 um 50 Prozent senken.
Schneidewinds „Vision“: „Wir brauchen Pioniere in den Wissenschaften und eine Politik, die die Rahmenbedingungen dafür schafft.“
René Röspels Vortragsreihe wird schon am kommenden Freitag, dem 17. Mai, fortgesetzt. Dann spricht der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie des Landes Thüringen, Matthias Machnig, ab 18 Uhr in der Villa Post über „Die Chancen der Energiewende nutzen“. Der Eintritt ist frei, René Röspel bittet Interessierte aber, sich aus organisatorischen Gründen hier anzumelden.