Mindestlohn ohne Ausnahmen kommt!
Der Bundestag hat am 4. Juli das Tarifautonomiestärkungsgesetz verabschiedet und damit einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland eingeführt, der ab dem 1. Januar 2015 für mindestens 3,7 Millionen Menschen das Ende von Niedriglöhnen bedeutet. Arbeit bekommt damit endlich ihren Wert zurück.
Abweichungen vom Mindestlohn von 8,50 Euro sind grundsätzlich nur noch bis zum 31. Dezember 2016 möglich, wenn ein entsprechender Tarifvertrag dies vorsieht und dieser nach dem Arbeitnehmer- Entsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Ab dem 1. Januar 2017 wird der Mindestlohn von 8,50 Euro dann in ganz Deutschland und ausnahmslos für alle Branchen gelten!
In der öffentlichen Debatte der vergangenen Wochen wurden Regelungen für drei Bereiche als Ausnahmen vom Mindestlohn dargestellt: Zeitungszusteller, Saisonkräfte (in der Landwirtschaft) und Praktika. Aber auch hier gilt: Es gibt keine Branchenausnahmen. Für diese Bereiche sind lediglich spezielle Übergangsregelungen und Präzisierungen verabredet worden. Mehr nicht. Diese Regelungen sehen so aus:
Zeitungszusteller
Auch für Zeitungszusteller gilt: Spätestens ab 1. Januar 2017 erhalten sie den Mindestlohn von 8,50 Euro! Bis dahin wird es wie bei der Regelung über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine schrittweise „Einphasung“ geben. Dazu wird es noch eine gesetzliche Regelung geben. Hintergrund ist, dass damit den Besonderheiten dieser Branche (Versorgung mit Presseprodukten im ländlichen Raum, sehr schwache Organisationsstrukturen, stark verbreitete geringfügige Beschäftigung) Rechnung getragen wird. Vor dem Hintergrund der besonderen verfassungsrechtlichen Lage (Pressefreiheit nach Art. 5 Grundgesetz.) wurde diese Regelung so vereinbart.
Saisonkräfte in der Landwirtschaft
Anders als in der Öffentlichkeit dargestellt, gilt auch für Saisonkräfte in der Landwirtschaft ab dem 1. Januar 2015 der Mindestlohn von 8,50 Euro. Nur über den Weg des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ist eine schrittweise Annäherung wie in anderen Branchen möglich.
Für diese Branche wurde aber bereits im Koalitionsvertrag (als einzige Branche) vereinbart, dass deren Probleme bei der Umsetzung des Mindestlohns besonders berücksichtigt werden. Dem wird durch zwei Regelungen Rechnung getragen:
1. Die schon vorhandene Möglichkeit der kurzfristigen sozialabgabenfreien Beschäftigung wird von 50 auf 70 Arbeitstage bzw. auf längstens 3 Monate ausgedehnt. Diese Begrenzung gilt für eine Übergangszeit von vier Jahren, also bis einschließlich 31. Dezember 2018.
2. Die Abrechnung der Kosten für Kost und Logis war bisher sehr bürokratisch. Das vereinfachen wir. Es bleibt aber dabei, dass diese Kosten nur zu einem angemessen Teil gemäß § 107 Gewerbeordnung und Sozialversicherungsentgeltverordnung abgerechnet werden können.
Praktika
Grundsätzlich gilt für alle Praktika, die nach einem Studien- oder Berufsabschluss geleistet werden, ab dem 1. Januar 2015 der Mindestlohn von 8,50 Euro. Freiwillige Praktika vor einem Abschluss dürfen ohne Zahlung des Mindestlohns maximal drei Monate dauern.
Damit wird es die „Generation Praktikum“, die nach Hochschulabschlüssen ohne Bezahlung vollwertige Tätigkeiten in Unternehmen ausübt, nicht mehr geben. Ausgemacht war von Anfang an, dass es überall dort, wo Menschen noch in Ausbildung oder Studium sind, wo also eher das Lernen als das Arbeiten im Vordergrund steht, andere Regeln geben muss. Das ist angemessen. Für drei Monate kann berechtigt davon ausgegangen werden, dass der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht. Danach gibt es den Mindestlohn auch für freiwillige Praktika vor einem Abschluss.
Darüber hinaus wurden bei Praktika weitere Verbesserungen über den Mindestlohn hinaus erreicht: Zukünftig wird ein schriftlicher Praktikumsvertrag verpflichtend, in dem die Ausbildungsziele, die Dauer des Praktikums, die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung festgelegt werden.
Langzeitarbeitslose
Bei Beschäftigten, die zuvor über ein Jahr arbeitslos waren, kann der Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten nach Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vom Mindestlohn abweichen. So soll Langzeitar- beitslosen die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden. Bereits zum 1. Juni 2016 wird die Bundesregierung berichten, inwieweit diese Regelung die Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt tatsächlich gefördert hat. Auch soll zu diesem Zeitpunkt über den Fortbestand der Regelung ent- schieden werden.
Stärkung der Tarifstrukturen
Mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz werden zudem ab sofort die Tarifstruktur und die Sozialpartner gestärkt, indem die Geltung von Tarifverträgen leichter durch Allgemeinverbindlicherklärung auf gesamte Branchen ausgeweitet werden kann. Damit wird für viele Menschen erstmals auch in Branchen, in denen dies bisher nicht möglich war, ein Zugang zu einem Tarifvertrag geschaffen, der neben Regelungen zur Bezahlung in der Regel auch weitere Regelungen zu Gunsten der Beschäftigen vorsieht, wie zum Beispiel zu Urlaub, Fortbildung, betrieblicher Altersvorsorge. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz wird auf alle Branchen erweitert. Diese Öffnung ermöglicht künftig den Tarifpartnern auch in den bisher nicht in das Gesetz einbezogenen Branchen, passgenaue Regelungen über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für alle Arbeitgeber verbindlich erklären zu lassen.
Städte werden entlastet
Der Mindestlohn hilft nicht nur Geringverdienern, sondern entlastet auch kommunale Haushalte erheblich. Der Subventionierung von Dumpinglöhnen auf Kosten des Steuerzahlers wird mit dem Mindestlohn endlich ein Riegel vorgeschoben. So schafft er mehr Spielraum für dringend erforderliche Investitionen der Kommunen in Bildung und Infrastruktur in ganz Deutschland.
Exemplarisch verdeutlichen dies Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes für Nordrhein-Westfalen. Danach müssen rund 850 Millionen Euro jährlich von Land und Bund aufgebracht werden, um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit Hartz-IV-Leistungen aufzustocken. Dies wird sich mit der Einführung des Mindestlohnes ändern. Im Sommer 2013 erhielten 115 000 Beschäftigte in Nordrhein-Westfalen, die allein von ihrem Arbeitseinkommen nicht leben konnten, ergänzende Hartz IV-Leistungen. Darüber hinaus bezogen rund 127 000 Minijobber in NRW Mietkostenzuschüsse ihrer Kommunen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund verweist auf die Mietkosten, die größtenteils von den Kommunen bezahlt werden müssen und derzeit in NRW etwa 500 Millionen Euro pro Jahr betragen.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hat deutlich gemacht, dass „der Staat“ durch den Mindestlohn auf der einen Seite weniger für Hartz IV ausgeben muss, zum anderen aber auch Mehreinnahmen durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erzielt.
Die Kommunen werden so spürbar und dauerhaft entlastet, können ihre originären Aufgaben besser wahrnehmen und müssen nicht weiter Lohndumping subventionieren.