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Zukunft unseres Landes wird auch in den Kindergärten und Schulen gemacht

23.06.2016

(Drucksache 18/18179)

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Man muss die knapp 360 Seiten des „Bundesberichts Forschung und Innovation 2016" nicht unbedingt lesen – das ist eine recht anstrengende Aufgabe –, aber das ist ein guter Überblick über die Situation von Forschung und Wissenschaft in Deutschland. Ich finde es sehr lohnenswert, da einmal hineinzuschauen, weil man wirklich feststellen kann, dass sich Deutschland zu einem guten Wissenschaftsstandort entwickelt hat. 1998 – wir dürfen nicht nur die letzten zehn Jahre betrachten – haben wir unter Rot-Grün die Trendwende geschafft und seitdem endlich wieder Bildung und Forschung einen anderen Stellenwert verschafft. Das hat uns alle gemeinsam in den letzten Jahrzehnten nach vorne gebracht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Wir werden weiterhin nur dann ein guter Standort für Wissenschaft und Forschung sein, wenn es uns gelingt, junge Menschen zu begeistern, Forschung zu betreiben, wenn es uns gelingt, junge Menschen dafür zu interessieren, sich die Fragen zu stellen: Wie entsteht Leben? Wie kann man eine Krankheit bekämpfen und heilen? Wie produzieren wir Strom umweltverträglich? Ich habe den Eindruck, diese Begeisterung bei jungen Menschen erwecken wir nicht mit Reden wie der, die Sie, Frau Kollegin Lötzsch, gerade gehalten haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Diese, glaube ich, schreckt junge Menschen eher ab, sich der Herausforderung zu stellen, sich ins Wissenschaftssystem zu begeben, das spannend ist und mit dem man viel erreichen kann.
Gerade ein guter Forscher – natürlich auch eine Forscherin – zeichnet sich dadurch aus, dass er seine Fehler erkennt. Ein Spitzenforscher zeichnet sich dadurch aus, dass er aus seinen Fehlern lernt und selbstkritisch ist. Diese Kritik zu üben, gilt es immer wieder; das ist gar keine Frage. Sich Kritik von außen einzuholen, das ist die Aufgabe der Expertenkommission Forschung und Innovation, EFI, die jedes Jahr einen Bericht vorlegt, um uns darauf hinzuweisen, wo welche Schwierigkeiten in der technologischen Entwicklung und Zukunft Deutschlands liegen und wie sie zu beheben sind. Aus Zeitgründen kann ich leider nur ein paar Beispiele herausgreifen; Kollege Kaufmann hat in seiner guten Rede gerade schon einiges angesprochen.
Ein Kapitel des Bundesberichts befasst sich mit dem Zustand der Robotik in Deutschland. Im Bereich der Industrierobotik, gerade in der Automobilindustrie, sind die deutschen Hersteller, ist die Bundesrepublik Deutschland gut aufgestellt. Aber wir verlieren hier den Anschluss an andere, bzw. es droht uns die Gefahr, von China, Südkorea und anderen überholt zu werden. Das heißt, wir müssen uns da besser aufstellen; wir müssen uns auch anderen Anwendungsbereichen von Robotik, zum Beispiel der Servicerobotik, öffnen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir da weiterkommen können. Das heißt, wir müssen Fehler erkennen und Kritik annehmen und versuchen, umzubauen.
Besonders gefreut hat mich, dass in dem Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation das Thema „soziale Innovationen" erstmals ausführlicher angesprochen wird. Es wird ausdrücklich gemahnt, dass wir uns mehr um soziale Innovationen kümmern, sie stärker in unser Blickfeld einbeziehen und dass wir nicht immer nur auf technologische Innovationen und Fortschritte schauen. Es gilt festzustellen, dass zwar zur Bewältigung vieler Probleme des täglichen Lebens oder unserer zukünftigen Gesellschaft Technologie gebraucht wird, dass es aber häufig so ist, dass wir auch soziale und gesellschaftliche Veränderungen brauchen, wenn wir die Probleme wirklich lösen wollen. Beides gehört zusammen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir als Sozialdemokratie sind froh, dass wir in den letzten Jahren über eine veränderte Hightech-Strategie auch in diesem Bereich weitergekommen sind.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur millimeterweise!)
Keine technische Innovation wird letztlich Erfolg haben, wenn es uns nicht gelingt, sie in die gesellschaftlichen Verhältnisse einzupassen und entsprechend zu fördern.
Wir haben aus dem letzten Jahr auch die Ankündigung der Expertenkommission mitgenommen, sich einem Problem zu widmen, das auch in diesem Bericht beschrieben wird: der Tatsache, dass die Innovationsintensität der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland zurückgegangen ist. Der Anteil des Umsatzes, den ein kleines oder mittleres Unternehmen für Innovationen aufwendet, ist im Vergleich zu anderen Ländern also geringer. Gleichzeitig ist festzustellen, dass der Anteil staatlicher Forschungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland deutlich niedriger als in anderen Ländern wie zum Beispiel Österreich oder Italien ist. Diese Länder geben ihren kleinen und mittleren Unternehmen mehr Geld für Forschung und Entwicklung.
Trotzdem zählen die deutschen kleinen und mittleren Unternehmen zu den erfolgreichsten weltweit. Ich finde, diesen Punkt muss man in Gesprächen mit dieser Kommission einfach vertiefen: Sind die Befunde eigentlich richtig? Ist es nicht eher gut, dass unsere Unternehmen mit einem relativ geringen Aufwand an Innovationsausgaben große Umsätze erzielen? Liegt die Stärke deutscher Unternehmen vielleicht nicht nur in Innovationsfähigkeit, sondern auch darin, qualitativ hochwertige Produkte herzustellen? Ist es eigentlich schlecht, wenn unser Staat seinen KMUs relativ wenig Forschungsgeld geben muss, weil sie auch ohne zurechtkommen? Ist es nicht eher schlecht, wenn Österreich und Italien mehr Geld für ihre kleinen und mittleren Unternehmen ausgeben müssen, damit sie genauso innovativ wie deutsche sind?
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist ja fast schon eine neoliberale Rede, die Sie da halten!)
Das sind eben Fragen, die wir noch beleuchten müssen.
Aber ein wichtiges Innovationshemmnis für kleine und mittlere Unternehmen erwähnt der Bericht trotzdem, nämlich den zunehmenden Fachkräftemangel. Damit komme ich zu einer Kritik an diesem Bericht: In den letzten Jahren war der Bericht deutlich stärker im Bereich Bildung und Fachkräftemangel aufgestellt. Da liegen definitiv die zentralen Aufgaben unserer Gesellschaft, und da gibt es Defizite. Wenn man in die Kindergärten und in die Schulen geht, sieht man ganz viele Kinder und junge Menschen, die, wenn man es richtig macht, dafür zu begeistern sind, in die Wissenschaft oder in die Forschung zu gehen. Das ist eine große Aufgabe, gerade in den Großstädten, und das wird immer schwieriger. Wir brauchen Schulsozialarbeit, mehr Investitionen in Bildung, auch vom Bund; denn wir als SPD sind der Überzeugung: Die Zukunft unseres Landes wird nicht nur in den Forschungsinstitutionen gemacht, sondern auch in den Kindergärten und Schulen.

Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

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