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Bund muss Ländern in Bildungsfragen Angebote machen und Finanzhilfe geben dürfen

10.10.2014

Drucksache 18/2710

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Eine Vorbemerkung außerhalb des Themas sei mir gestattet. Ich finde es richtig, dass auch ein Abgeordneter die Möglichkeit haben muss, seinen Vaterpflichten nachzukommen. Deswegen bin ich gerne kurzfristig für Swen Schulz eingesprungen, der jetzt bei seinem kranken Kind zu Hause ist. Wir wünschen gute Besserung an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Jetzt aber zum Thema. Ich bin sehr froh über diesen Gesetzentwurf, weil ich glaube, dass wir damit im Bereich der Hochschulen einen guten und wichtigen Schritt weiterkommen und weil dieser Gesetzentwurf auch an erkennt, dass die Länder unterschiedliche Voraussetzungen und unterschiedliche Bedingungen haben. In den Debatten hört man häufig, dass alle Länder gleich seien und gefälligst die Aufgaben in ihrem Bereich übernehmen sollen. Das hat man nicht nur bei der Debatte über den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit heute gemerkt. Das würde vielleicht klappen, wenn die Bundesländer alle gleich wären, so als wenn man die Sahara als Wüste in Quadrate aufteilen würde. Dann könnte man sagen, dass dort die Voraussetzungen alle gleich sind. Das kann funktionieren.

Es ist im realen Leben aber nicht so. Vielmehr – das klang auch gerade bei Patricia Lips an – spielt es eine Rolle, welche Regionen in einem Bundesland sind. Große Unterschiede bestehen zwischen Großstädten und ländlichen Regionen. Wenn ich aus meiner Großstadt im Wahlkreis in Richtung ländliche Region gehe, dann verändert sich viel: die Arbeitslosenquote, die Zahl der Sozialhilfeempfänger und der Alleinerziehenden sinkt. Alles wird anders, in der Regel besser. Deswegen kommt gerade Großstädten eine besondere Bedeutung zu.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meiner Stadt Hagen. Wir haben zu Beginn des Schuljahres 260 Flüchtlingskinder ganz schnell in Auffangklassen aufnehmen müssen. Es waren Kinder, die häufig gar nicht die deutsche Sprache beherrschen, manchmal nur teilweise, mitunter Analphabeten sind. Die Stadt steht vor der Herausforderung, diese Kinder zu integrieren, Schulklassen zu bilden und Lehrer dafür abzustellen. Das klappt mit dem Land zusammen. Aber ich finde, dies ist nicht allein die Aufgabe von Land und Kommune, dies zu regeln – das ballt sich im Ruhrgebiet –, sondern der Bund hat hier auch eine Aufgabe. Deswegen ist diese klare Trennung nicht so einfach.

(Beifall bei der SPD)

In den Ländern gibt es nicht nur unterschiedliche Belastungen, sondern auch unterschiedliche Verfahrensweisen. Weil ich gerne nach Bayern in den Urlaub fahre, vergleiche ich immer NRW und Bayern. NRW unternimmt besondere Anstrengungen, Menschen zum Abitur zu führen. Die Quote der Studienberechtigten ist fast doppelt so hoch wie in Bayern. Das liegt nicht an der Qualität bayerischer Schüler, aber vielleicht an der Besonderheit, dass man in NRW sagt: Wir wollen mehr Menschen zum Abitur bringen. Das ist eine besondere Leistung des Landes. Das spiegelt sich auch in der Zahl der Studierenden pro Einwohner wider. Das habe ich beim letzten Mal schon gesagt. In NRW liegt sie deutlich höher als in Bayern oder Sachsen. Das heißt, in NRW studieren mehr Menschen. Das ist auch gut so. Dann aber zu sagen: „Seht als Land zu, wie ihr das hinbekommt", ist zu kurz gedacht und dient nicht der Sache.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ein weiteres, sehr eindringliches Beispiel nennen, das uns gestern Morgen beim Forschungsfrühstück der Helmholtz-Gemeinschaft vorgestellt wurde: „Das Haus der kleinen Forscher", eine Stiftung mit Mitteln aus der Helmholtz-Gemeinschaft und privaten Trägern, die mehr Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften in die Kindergärten bringen wollen. Der Geschäftsführer hat einen total engagierten, begeisterten und begeisternden Vortrag gehalten. Man merkte, dass er lange Zeit in Ulm bei Manfred Spitzer, einem Neurowissenschaftler, war, der seit Jahren – wissenschaftlich belegt – sagt, wie wichtig es ist, im frühkindlichen Bereich mit Bildung anzufangen. Der alte Spruch „Was Hänschen nicht gelernt hat, lernt Hans nimmermehr" gilt eigentlich auch, wenngleich nicht in dieser Rigidität.

Der Geschäftsführer hat gesagt, dass er die Vision hat, dass er in 30 Jahren auf der Tagung der Nobelpreisträger sein wird und dort zwei Nobelpreisträger – am besten Deutsche – nebeneinander sitzen, die sagen: Mensch, du warst auch im „Haus der kleinen Forscher" und hast im Kindergarten dieses Interesse für Naturwissenschaften entdeckt. – Das ist genau der richtige Weg. Der Weg zum Nobelpreis fängt im Kindergarten an und nicht erst in der Hochschule.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Daher ist die Trennung – der Bund ist nur für Hochschulen zuständig, alles andere müssen Länder und Kommunen übernehmen – zu kurzsichtig.

(Beifall der Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] und Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Bildungsforscher, der gestern dabei war, hat zwei Punkte der Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte herausgehoben und gelobt:

Der erste Punkt war das Ganztagsschulprogramm, das die rot-grüne Bundesregierung 2003 auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erinnere mich daran, dass vom rechten Block des Hauses die Zwischenrufe kamen: Einheitsschule, Verwahranstalt. Es gab große Proteste. Das hat sich alles gelegt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

In meinem Wahlkreis gibt es 54 Ganztagsgrundschulen. Alle wissen, wie gut es ist, eine vernünftige Ausstattung zu haben, Räume, in denen sich Kinder wohlfühlen, in denen sie auch den Nachmittag verbringen können. Aber das Problem ist – Edelgard Bulmahn hat das früher angesprochen –, die Pädagogik darf nicht vom Bund bezahlt werden. Und das verstehen die Menschen überhaupt nicht. Zu sagen, für Nachmittagsunterricht sind wiederum die Länder zuständig, das geht an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei.

Zum zweiten Beispiel, das gelobt wurde: Bei der Stiftung „Haus der kleinen Forscher" geht es darum, früh anzufangen, in Kindern ein Interesse für bestimmte Themen zu wecken. Das Programm soll nun – glücklicherweise unterstützt durch das BMBF – auf Grundschulen ausgeweitet werden. Aber sie dürfen nur nachmittags in die Ganztagsgrundschulen, weil ihre Arbeit durch Bundesmittel finanziert wird. Deshalb dürfen sie ihre Arbeit nicht mit der der Lehrer koordinieren und schon vormittags tätig werden.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kooperationsverbot!)

Das ist so weit an der Lebenswirklichkeit vorbei – das kann man den Menschen draußen nicht erklären.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir sollten uns davor hüten, Politik zu machen, die an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigeht.

Deswegen muss der nächste Schritt sein, die Möglichkeit zu schaffen, dass der Bund den Ländern in Bildungsfragen Angebote machen und auch Finanzhilfe geben kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: