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Chancen der Nanotechnologien nutzen und Risiken für Verbraucher reduzieren

25.04.2013

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 25. April 2013 zur Beratung des SPD-Antrags "Chancen der Nanotechnologien nutzen und Risiken für Verbraucher reduzieren" und des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Nanotechnologie – Chancen nutzen und Risiken minimieren"; Deutscher Bundestag, 237. Sitzung, TOP 36

René Röspel (SPD):
Die Europäische Kommission schätzt in einer ihrer jüngsten Stellungnahmen, dass das Marktvolumen von Produkten, in denen Nanomaterialien eingearbeitet sind, im Jahre 2015 auf 2 Billionen Euro steigen wird. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat für das Jahr 2013 um die 70 Millionen Euro für Projektmittel im Bereich „Neue Materialien – Nanotechnologien“ bereitgestellt. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Kürzung von 10 Millionen Euro. Das verwundert, wenn man den Sätzen Glauben schenkt, dass der Bundesregierung diese Technologie sehr am Herzen liegt. Wir, die Oppositionsfraktionen der Grünen und SPD, haben deshalb grundsätzlich Zweifel, ob die aktuelle Strategie der Bundesregierung in die richtige Richtung zeigt. Aus diesem Grund haben Grüne und SPD jeweils eigene Forderungen aufgestellt. Diese diskutieren wir heute.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und die Kolleginnen und Kollegen der Grünen sind beim Thema Forschungspolitik sehr oft einer oder ähnlicher Meinung. Aus diesem Grund wünschen wir uns eine gemeinsame Regierung für die nächste Legislaturperiode. Aber bei manchen Themen sind wir eben auch unterschiedlicher Meinung. Im Antrag der Grünen finden sich viele grundsätzliche inhaltliche Überschneidungen zu unserem Antrag. Zu nennen sei zum Beispiel die Erhöhung der Sicherheitsforschung auf 10 Prozent. Diese alte Forderung der SPD, die der Bundestag in Zeiten der Großen Koalition auf unsere Initiative hin beschlossen hat, ist bis heute nicht umgesetzt worden. Selbst die Ressortforschungseinrichtungen der Bundesregierung legen in ihrer gerade veröffentlichten ersten Bilanz „Nanotechnologie – Gesundheits- und Umweltrisiken von Nanomaterialien“ dar, dass die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich zu intensivieren sei. Warum die schwarzgelbe Bundesregierung dann trotzdem die Projektförderung für Nanomaterialien senkt, ist für mich deshalb noch weniger nachvollziehbar.

Weitere inhaltliche Überschneidungen mit dem Antrag der Grünen betreffen die Forderung nach der Umsetzung des Vorsorgeprinzips bei Nanomaterialien, die Einführung eines Nanoregisters und die Kennzeichnung von Produkten mit Nanomaterialien. Auch wenn es bei diesen Themen zwischen SPD und Grünen im Detail durchaus Unterschiede gibt, so stimmen wir in diesen großen Linien doch überein.

An einem entscheidenden Punkt können wir den Grünen aber nicht zustimmen. Denn leider hat man nach dem Lesen des Antragstextes das Gefühl, dass jeder Nanopartikel erst einmal gefährlich sei. Das stimmt aber nun einmal nicht. Ganz im Gegenteil. „Nano“ bedeutet erst einmal nur, dass in dieser Größe das Material andere Eigenschaften besitzt als in anderen Größenordnungen. Diese können durchaus gefährlich, zum Beispiel toxisch, sein, müssen es aber auch nicht. Sie können auch harmlos sein, aber eben doch neue positive Eigenschaften enthalten, zum Beispiel die Fähigkeit, elektrische Energie besser zu leiten. Wenn man wie die Grünen von der generellen Annahme ausgeht, dass alle Nanomaterialien schädlich sind, dann macht ein Moratorium, wie sie es in ihrem Antrag fordern, für Nanoprodukte natürlich Sinn. Wenn man aber hingegen von der Realität ausgeht, nämlich dass sich Nanomaterialien ähnlich wie andere Chemikalien oder Stoffe verhalten, dann ist ein solches Moratorium nicht der richtige Weg. Hier ist vielmehr eine aufwendige Einzelprüfung notwendig.

Auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Meinung, dass gewisse verbrauchernahe Produkte bzw. bestimmte Nanomaterialien einer besonderen Kontrolle unterliegen müssen. Aber das ist in der EU Standard. Die Europäische Kommission prüft außerdem bereits – übrigens im Auftrag des Europäischen Parlaments, welches beim Thema Nano sehr aktiv ist – an welchen Stellen die Kontrollen verbessert und Regelungen angepasst werden müssen. Aktuell ist die Kommission zum Beispiel zu dem Schluss gekommen, dass REACH, die Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe, für Nanoprodukte angepasst werden sollte. Auf dem Gebiet passiert also bereits einiges.

Ein Grund für übertriebene Angst vor allen Nanomaterialien ist vielleicht die aktuelle EU-Definition für Nanomaterialien. Nach dieser fallen nämlich alle Nanopartikel, ob nun natürlich vorkommend, bei Prozessen anfallend oder bewusst hergestellt, unter diese Kategorie. Das bedeutet, dass natürlich vorkommende Nanopartikel in der Milch, bei Verbrennungen entstehende Rußpartikel und extra hergestellte nanogroße Partikel in Computerchips oder Verpackungsmaterial gleich behandelt werden. Die Gefahr für Mensch und Umwelt ist aber bei jedem dieser Materialien absolut unterschiedlich. Eine Kategorie, die alles erfasst, sagt am Ende hingegen gar nichts aus. Aus diesem Grund gehört die EU-Definition zügig überarbeitet. Vielleicht konzentriert sich die Diskussion dann auch wieder auf die realen Risiken bei der Nanotechnologie.

Die sehen wir, wie auch verschiedene andere Institutionen, insbesondere in den freien Partikeln. Hier ist bei einigen immer noch unklar, wie der menschliche Organismus und die Umwelt darauf reagieren. Auch sind das Auffinden und die Reaktion hergestellter Nanopartikel in der Natur immer noch problematisch bzw. unklar. Forschungsbedarf ist also noch genug vorhanden.

Um die großen Chancen der Nanotechnologie auch weiterhin nutzen zu können, müssen mögliche Risiken ausgeräumt werden. Dafür benötigen wir neben den finanziellen Mitteln aber auch gut ausgebildete Fachkräfte. Und wie wir aus unserer Kleinen Anfrage zum Thema Stand der Toxikologie in Deutschland erfahren mussten, sieht der Zustand dieses auch für die Nanotechnologie so wichtigen Wissenschaftszweiges ziemlich schlecht aus. Diese Bundesregierung hat über deren Zustand nur veraltete Zahlen und fördert den Bereich nur rudimentär. Das ist eine Katastrophe! Denn die Toxikologinnen und Toxikologen sollen doch, unter anderem im Auftrag der Bundesregierung, schauen, ob das eine oder andere Material für Mensch oder Umwelt gefährlich sein könnte. Diese Bundesregierung streicht also nicht nur Forschungsgeld. Sie gefährdet auch die Strukturen, welche eine unabhängige Untersuchung von Nanomaterialien gewährleistet. Es wird Zeit, dass sich auch in diesem Forschungsbereich ab Herbst etwas ändert; denn Schwarz-Gelb bekommt es einfach nicht hin!

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