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Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen verbessern

13.12.2012

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 13. Dezember 2012 zur Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen verbessern"; Deutscher Bundestag, 214. Sitzung, TOP 29

René Röspel (SPD):
Wir diskutieren heute einen druckfrischen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen verbessern“. Wir finden diesen Antrag der Grünen grundsätzlich unterstützenswert, auch wenn erst im Verlauf des Antrags klar wird, dass es sich – richtigerweise – um die Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen im politischen Raum handelt, also zum Beispiel in Parlament und Regierung, und damit nicht um die Entscheidung in der Wissenschaft. Der Wille zu mehr Teilhabe und Mitbestimmung der Zivilgesellschaft an forschungsrelevanten Themenschwerpunkten, wie zum Beispiel der Ausrichtung und Schwerpunktlegung der staatlich geförderten Forschungsförderung, ist grundsätzlich als legitim anzuerkennen. Zwar kann sich Wissenschaft und Forschung in Deutschland grundsätzlich auf die in Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes kodifizierte Wissenschafts- und Forschungsfreiheit berufen. Doch dieses Grundrecht entbindet weder das Forschungs- und Wissenschaftssystem noch deren Akteure von der Verantwortung der Forschung und Wissenschaft vor der Gesellschaft. Zudem ist durch einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit zur Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des Forschungs- und Wissenschaftssystems durch den Gesetzgeber mehrfach bestätigt worden. Diese Möglichkeit zur Setzung von Rahmenbedingungen hat der Gesetzgeber in der Geschichte der Bundesrepublik bereits mehrfach und in vielfältiger Weise wahrgenommen. Die Schaffung und Weiterentwicklung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen oder aber die Programmförderung sind nur einzelne Beispiele für die Anwendung und Durchsetzung des Gestaltungsanspruches des Gesetzgebers in dieser Hinsicht.

Wenn der Gesetzgeber seinen gestalterischen Anspruch wahrnimmt, so begründet er dies meist mit übergeordneten staatlichen und gesellschaftlichen Interessen und selten mit dem Argument, die Wissenschaftsfreiheit zu befördern. So tat er dies beim Aufbau einer außeruniversitären Forschungsinfrastruktur in den 1960er-Jahren oder aber wie jüngst mit einer Aufstockung der Mittel für die außeruniversitäre Forschung im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation.

Bei der Planung und Konzipierung dieser Politikund Förderprogramme hat sich der Gesetzgeber stets mit Akteuren aus dem Wissenschafts- und Forschungssystem selbst oder aber mit Akteuren außerhalb des Systems abgestimmt und rückgekoppelt. In beiden Fällen tat er dies zur Steuerung und Optimierung seiner Förderaktivitäten im Sinne einer Bedarfsermittlung. Die Innovationsforschung spricht in diesem Zusammenhang von einer sogenannten Push- bzw. Pull- Funktion.

Dabei spielt hinsichtlich der Berücksichtigung der Bedarfe von Akteuren außerhalb des Systems Wissenschaft die Bündelung von Interessen und die adressatengerechte Kommunikation eine besondere Rolle. Sie ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Partizipation im Rahmen der staatlichen Schwerpunktsetzung bei der Weiterentwicklung des Wissenschafts- und Forschungssystems.

Der vorliegende Antrag analysiert in diesem Zusammenhang richtig, dass es hinsichtlich der Möglichkeiten der Mitsprache und Partizipation der Industrie – im Vergleich zu anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen – ein Ungleichgewicht gibt. Dieses ist historisch gewachsen, stellt aber kein ausschließliches Privileg der Industrie dar und bedeutet schon gar nicht, dass das richtig ist und so bleiben muss. Dem Anspruch der zivilgesellschaftlichen Gruppen, vor allem aus dem Bereich der Nichtregierungsorganisationen, hinsichtlich einer stärkeren Konsultation und letztlich Mitbestimmung bei der künftigen Ausrichtung des Forschungs- und Wissenschaftssystems mitwirken zu dürfen, gilt es Rechnung zu tragen. Denn mit einer solchen Form der Partizipation wird Neuland betreten – sowohl für die zivilgesellschaftlichen Akteure als auch für den Staat selbst. Die im vorliegenden Antrag gestellte Forderung, zunächst einmal eine ausgiebige Bestandsaufnahme zu den Möglichkeiten der bestehenden oder zu schaffenden Partizipation zu machen, halten wir demnach für zielführend. Nur mit einer umfassenden Bestandsaufnahme, die einen für alle Beteiligten akzeptierten Status quo schafft, werden sich Möglichkeiten und Verfahren der Partizipation schaffen lassen, die bei allen Betroffenen und zu beteiligenden Akteuren auf Akzeptanz stoßen.

Ohne dieser Bestandsaufnahme vorgreifen zu wollen, möchte ich an dieser Stelle noch auf die mehrfach im Antrag genannte Ressortforschung eingehen. Da diese der Exekutive nachgelagerten Einrichtungen zwar in ihrer Forschung frei sind, in ihrer Themenauswahl jedoch dem Regierungshandeln nachgelagert sind, muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, ob sie für Partizipationsverfahren der oben genannten Art geeignet sind. Zudem besteht bei diesen Einrichtungen durch die enge Anbindung an die Exekutive zumindest mittelbar die Möglichkeit der Partizipation des Bürgers. Abschließend möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: Sowohl den vorliegenden Antrag als auch dem dahinter stehenden grundlegenden Interesse zur Partizipation der Zivilgesellschaft stehen wir offen gegenüber. Noch unklare Details, also zum Beispiel wer nach welchen Kriterien als Vertreter welcher Gruppen in Gremien entsandt werden soll, werden wir ja noch im Ausschuss diskutieren können. Wir möchten aber betonen, dass jede Form der tatsächlichen oder versuchten Einflussnahme – sei sie institutionalisiert oder offen – die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit grundsätzlich zu wahren hat. Wie die Wissenschaft Erkenntnis gewinnt, soll sie stets selbst bestimmen. Gleiches gilt auch für die freie Verbreitung der Ergebnisse. Wenn diese Interessen gewahrt bleiben, dann werden die im Antrag genannten Bestrebungen auch künftig unsere Unterstützung erfahren!

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