Transparenz als verbindliches Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft verankern
Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 25. Oktober 2012 zur Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Transparenz als verbindliches Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft verankern"; Deutscher Bundestag, 201. Sitzung, TOP 34
René Röspel (SPD):
Wir diskutieren heute einen druckfrischen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Transparenz als verbindliches Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft verankern“. Wir finden diesen Antrag der Grünen zunächst einmal unterstützenswert. Dies darf nicht verwundern, da sie damit nicht nur eine grundsätzliche Position der Sozialdemokratie treffen, sondern weil wir vor einiger Zeit einen ähnlichen Antrag auf den Weg und in den Bundestag eingebracht haben, der sich mit der Frage der Transparenz hinsichtlich der Kooperation von Hochschulen und Unternehmen befasst (Drucksache 17/9168).
Viele der im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschriebenen Ansätze halten wir für richtig. Es ist richtig und wichtig, dass Kooperationsbeziehungen zwischen Forschungseinrichtungen und Hochschulen mit Dritten – also meistens der Wirtschaft – transparent sind, und zwar in einer Weise, dass die interessierte Öffentlichkeit nachvollziehen kann, mit welchen Unternehmen die jeweiligen Einrichtungen zusammenarbeiten bzw. von wem sie Geld bekommen. Damit können mögliche Interessenkonflikte transparent gemacht werden. Diese Forderung entspricht dem, was wir in unserem Antrag auf Drucksache 17/9168 bereits formuliert haben.
Auch hinsichtlich der im Antrag angesprochenen Frage des wissenschaftlichen Fehlverhaltens können wir darauf hinweisen, dass die SPD-Bundestagsfraktion einen Antrag zu diesem Thema bereits im letzten Jahr auf der Drucksache 17/5758 – „Kampf gegen wissenschaftliches Fehlverhalten aufnehmen – Verantwortung des Bundes für den Ruf des Forschungsstandortes Deutschland wahrnehmen“ – in den deutschen Bundestag eingebracht hat. Das ist also auch schon abgehandelt.
Wir halten weiterhin das Ziel für richtig, dass die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in eigener Verantwortung sogenannte Codes of Conduct aufstellen, da dies nicht gesetzlich geregelt werden kann, und künftig alle öffentlichen oder privat eingeworbenen Drittmittelprojekte – einschließlich der Auftraggeber – offenlegen, zum Beispiel auf der Homepage der Institute und Einrichtungen. Gleiches sollte unbedingt auch für Publikationen gelten. Wir halten es für sehr sinnvoll, wenn in Veröffentlichungen ein Hinweis zu finden ist, wie selbige finanziert worden sind.
Auch die Forderung in dem hier vorliegenden Antrag, dass es eine Datenbank geben sollte, die über das bestehende Angebot des Bundes und der Deutschen Forschungsgemeinschaft hinausgeht, wo eben Informationen über Projekte und deren Finanzierung abgerufen werden können, ist grundsätzlich sinnvoll und unterstützenswert.
Allerdings finden wir, dass im Detail doch noch einige Fragen offen bleiben, die geklärt werden müssen, wo der Antrag möglicherweise auch zu früh gekommen ist.
Die Grünen beziehen sich auch auf eine Empfehlung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, die grundsätzlich richtig ist, dass Ziele, wesentliche Resultate und veröffentlichte Forschungsergebnisse und Daten in allgemeinverständlicher Form dargelegt werden sollten und auch der Umfang und die Dauer einer öffentlichen Förderung und die Kooperationspartner nachvollziehbar sein müssen.
Dennoch taucht im Detail die Frage auf, wie detailliert und zu welchem Zeitpunkt der Arbeiten beispielsweise ein Ziel oder Forschungsergebnisse und Daten angegeben werden müssen. So stellt sich doch die Frage, ob nicht ein Kern von grundgesetzlich garantierter Wissenschaftsfreiheit und Freiheit von Forschung durch solch eine Vorgehensweise berührt oder möglicherweise beeinträchtigt ist, indem man Wissenschaftler tatsächlich dazu verpflichtet, ihre Daten gegen ihren Willen zu veröffentlichen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es Situationen, Ergebnisse und Resultate gibt, die eine Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler bewegen, nicht zu veröffentlichen. Allerdings gilt es an dieser Stelle, die jeweilige Motivlage genau zu prüfen. So muss unter allen Umständen ausgeschlossen werden, dass eine Forscherin oder ein Forscher die von ihr oder vonihm generierten Ergebnisse – etwa im Rahmen einer klinischen Studie – nur selektiv veröffentlicht, um etwa bestimmte unerwünschte Ergebnisse für die eigene Forschung oder den Finanzier derselben zu verschleiern.
Dessen ungeachtet sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hinsichtlich ihrer Präferenz, von einer Veröffentlichung abzusehen, in ihrer Entscheidung zu respektieren, sei es aus möglicherweise ethischen oder anderen Gründen oder vielleicht deshalb, weil die gewonnenen Erkenntnisse sich noch in einem Stadium befinden, wo die Veröffentlichung – anders als das im Antrag der Grünen auch für Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse formuliert worden ist – nicht angebracht ist, zum Beispiel deshalb, weil sie aus wissenschaftlichen Gründen den Status oder den Zeitpunkt für eine Veröffentlichung für nicht gerechtfertigt ansehen.
Wir werden in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Anschluss an die geplante Anhörung zum Thema „Umgang mit sicherheitsrelevanten Forschungsergebnissen“ eine Diskussion führen müssen, wo es tatsächlich
darum geht, ob Ergebnisse zu Sequenzen eines hochpathogenen Erregers veröffentlicht werden sollen oder nicht. Diese Anhörung findet am 7. November 2012 statt, und ich hätte es für sinnvoll gehalten, sich erst nach dieser Anhörung ein endgültiges Meinungsbild zu schaffen und dann einen solchen Antrag wie den hier vorliegenden vorzulegen. Und ein wenig merkt man auch an der Sprache des Antrags, dass tatsächlich die bestehenden Unschärfen möglicherweise gewollt sind, weil solche wie die eben genannten Fragen noch nicht abschließend geklärt sind.
Was soll zum Beispiel im Detail damit gemeint sein, wenn die Pflicht zur Veröffentlichung zurücktreten soll, wenn gesetzlich geschützte Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt werden? Dies bleibt nach meiner Lesart des Antrags jedenfalls unbeantwortet. Für die erste Lesung des Antrags bleibt also das Fazit: Ein Teil der Themen ist bereits behandelt durch unsere SPD-Anträge; beim anderen Teil – so sinnvoll die Forderungen auch sind – hätten wir uns gewünscht, dass man noch die Ausschussanhörung abwartet. Grundsätzlich allerdings geht der Antrag in die richtige Richtung.