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Forschung und Produktentwicklung für vernachlässigte und armutsassoziierte Erkrankungen stärken

28.06.2012

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 28. Juni 2012 zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Koalitionsantrag „Forschung und Produktentwicklung für vernachlässigte und armutsassoziierte Erkrankungen stärken"; Deutscher Bundestag, 187. Sitzung, TOP 33

René Röspel (SPD):
Wie ich bereits in meiner zu Protokoll gegebenen Rede bei der ersten Beratung des vorliegenden Antrags moniert habe, ist es – trotz der grundsätzlichen Berücksichtigung von vernachlässigten Krankheiten im parlamentarischen Raum – sehr bedauerlich, dass die jeweiligen Reden zu den entsprechenden Anträgen stets zu Protokoll gegeben worden sind. Ich stelle das redliche Engagement einzelner Fürstreiter dieses Themenkomplexes aufseiten der Koalitionsfraktionen nicht infrage, aber es kommen mir doch erhebliche Zweifel, ob das Engagement dieser einzelnen MdBs von ihren jeweiligen Fraktionen als Feigenblatt genutzt wird, um die tatsächlich geringe Wertschätzung für dieses Thema in den angesprochenen Fraktionen eventuell zu kaschieren. Eine ehrliche und engagierte Auseinandersetzung mit diesem Thema sollte einen offenen Austausch im Plenum zur Grundlage haben. Wie bereits in meiner vorangegangen Rede erwähnt, sehe ich – im Sinne einer aufrichtigen Wertschätzung der Betroffenen – dies als ein wichtiges Zeichen zu einem klaren Bekenntnis des Deutschen Bundestages hinsichtlich dieses Themas.

Wie schon in den Beratungen des Antrags im Plenum vom März dieses Jahres sowie in der Sitzung des Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung deutlich wurde, bewegen sich alle parlamentarischen Initiativen – und mit ihnen jegliche staatlich gesteuerten Versuche, die vernachlässigten Krankheiten in den Entwicklungsländern zu bekämpfen – im Spannungsfeld zwischen Ohnmacht im Angesicht der Größe der zu bewältigenden Aufgabe und blindem Aktionismus – ohne dass allerdings ein Antrag eine Grenze überschreitet, wenngleich im Fall der Fraktion Die Linke einige utopische Forderungen enthalten sind. Es gilt demnach, eine Politik mit Augenmaß voranzutreiben, die sich am Machbaren orientiert und dennoch nicht vor den Herausforderungen kapituliert, die ausgewogene Forderungen stellt – insbesondere in Bezug auf eine finanzielle Ausgestaltung von Fördermaßnahmen.

Ebenfalls ist es unabdingbar, dass zielgerichtete staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten nur dann erfolgversprechend sein können, wenn sie eine kontinuierliche und vor allem verlässliche Finanzierung der PDPs als Basis vorweisen können. Denn Forschungsprozesse im Rahmen der (Weiter-) Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten – nicht nur der vernachlässigten Krankheiten – sind häufig unsichere bzw. unstete und demnach nur schwer planbare Prozesse, die sich nicht immer an den Zeithorizonten von Haushaltsjahren ausrichten lassen. Um so wichtiger ist es, wenn sich die involvierten Forscherteams auf eine verlässliche Finanzierung stützen können. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Verstetigung der Forschungsbemühungen jenseits einer reinen Projektförderung.
Die Frage ist, ob das Ziel nicht besser über eine institutionelle Lösung erreicht werden kann. Denn Fachexpertise lässt sich am besten lokal bündeln und nicht in 27 Einrichtungen an sieben Standorten, wie es derzeit durch die Gründung eines entsprechenden „Deutschen Zentrums für Infektionsforschung“ durch das BMBF geplant ist.

Eine effektive und zielgerichtete Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten darf sich nicht nur auf die Weiterentwicklung von Wirkstoffen beschränken, sondern muss auch stets den potenziellen Empfänger bzw. die Situation in den Zielländern im Blick behalten. Auch wenn ein Wirkstoff erfolgreich alle Phasen einer klinischen Erprobung bestanden hat, so bleibt er doch letztlich wirkungslos, wenn er nicht den Weg zum Patienten findet. Daher bedarf es stets der begleitenden Capacity- Building-Maßnahmen in den Zielländern, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen und nachhaltigen Behandlung der Betroffenen sicherzustellen.

Diese Erkenntnis hat sich offenbar auch aufseiten der Koalitionsfraktionen durchgesetzt, wie aus den Forderungen 12 und 13 des Koaltionsantrags deutlich wird. Wir halten diese Intention für grundsätzlich richtig und erstrebenswert, doch darf eine solche begleitende Maßnahme nicht auf Kosten der PDP-Förderung gehen. Der ohnehin schon bescheidene Haushaltstitel für diese Förderung sollte nicht noch durch die Unterstützung von Capacity-Building-Maßnahmen geschmälert werden, zumal dies in den originären Aufgabenbereich des BMZ fällt. Vielmehr möchten wir an dieser Stelle eine koordinierte Zusammenarbeit beider Ressorts anregen, in der sich beide Häuser in ihrer Arbeit ergänzen und sich dennoch auf ihren originären Zuständigkeitsbereich konzentrieren: Das BMBF sollte sich auf eine verstetigte Förderung und Finanzierung von erfolgversprechenden Wirkstoffen fokussieren, die flankierenden Maßnahmen im Capaciy-Building-Bereich hingegen sind aus dem Etat des BMZ zu bestreiten. Damit ein solcher Förderansatz auch langfristig erfolgreich sein kann, bedarf es natürlich einer engen Abstimmung zwischen beiden Häusern. In einer funktionierenden Koalition sollte eine
Koordination dieser Art wohl kein Problem darstellen.

Mit Enttäuschung ist festzustellen, dass die Regierungsfraktionen die Gelegenheit zur Klarstellung der vonseiten der SPD-Bundestagsfraktion monierten Passagen in ihrem Antrag im Rahmen der Ausschusssitzung nicht genutzt haben. Gerne hätten wir etwa mehr erfahren zu dem im Antrag stehenden Zielkonflikt, einerseits ein ausgewogenes Verhältnis von Grundlagenforschung und produktorientierter Forschung anzustreben und andererseits eine bedarfsorientierte Entwicklung von Medikamenten in den Vordergrund zu stellen. Eine Klarstellung in dieser Hinsicht hätte nicht nur einen positiven Beitrag zur Konsistenz der eigenen Aussagen gebracht, sondern hätte zudem einen Hinweis hinsichtlich der programmatischen Ausrichtung des Förderprogramms gegeben. Dies wäre nicht nur für die Opposition von Interesse, sondern auch für potenzielle Antragsteller.

Ebenfalls ist immer noch unklar, was Gegenstand der unter Punkt 16 des Antrags geforderten „positiven Evaluation“ sein soll, die als Grundlage für das weitere förderpolitische Handeln des Gesetzgebers herangezogen werden soll.

Aus den zwei vorangegangen Punkten wird ein weiteres Mal deutlich, dass ein zielgerichteter Diskurs im parlamentarischen Raum den offenen und freien Gedankenaustausch über das gesprochene Wort braucht: nicht nur im Ausschuss, sondern auch im Plenum! Vielleicht erkennt die Union vor diesem Hintergrund an, dass eine offene Aussprache im Plenum – statt die Beiträge zu Protokoll zu geben – nicht nur der Wertschätzung des Themas selbst, sondern auch der Qualität der jeweiligen Anträge dienlich ist.

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: