Potenziale der Einrichtungen des Bundes mit Ressortforschungsaufgaben stärken
Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 14. Juni 2012 zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Koalitionsantrag „Potenziale der Einrichtungen des Bundes mit Ressortforschungsaufgaben stärken"; Deutscher Bundestag, 184. Sitzung, TOP 24
René Röspel (SPD):
Mit den Ressortforschungseinrichtungen des Bundes beschäftigte sich der Wissenschaftsrat erstmals im Jahr 2004. Bereits in dieser ersten Evaluation hat das Gremium die Rolle der Ressortforschungseinrichtungen grundsätzlich positiv bewertet, aber auch auf Handlungsbedarfe hingewiesen.
Schon im Jahr 2007, noch zu Zeiten der Großen Koalition und unter aktiver Einflussnahme der SPD, hat das BMBF ein Papier mit dem Titel „Zehn Leitlinien einer modernen Ressortforschung“ publiziert, in welchem die Verbesserungsvorschläge des Wissenschaftsrats aufgegriffen und in konkrete Handlungsvorschläge gefasst wurden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass dieses Papier noch heute über die Website des BMBF abrufbar ist. Die inhaltlichen Zielvorgaben für eine politische Weichenstellung hin zu einer zukunfts- und leistungsfähigen Ausrichtung der Ressortforschungseinrichtungen, die den gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, sollten daher auch den Koalitionsfraktionen hinlänglich bekannt sein.
Man könnte demnach annehmen, dass mit einer solchen Vorlage eine politische Umsetzung – vor allem im parlamentarischen Raum – reine Formsache wäre. Liest man aber den vorliegenden Antrag von Union und FDP, muss man mit Enttäuschung feststellen, dass dem nicht so ist. Vorab sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass zwischen Publikation der Leitlinien und dem jetzt vorliegenden Antrag knapp fünf Jahre vergangen sind. Hatte die Union in der letzten Wahlperiode mit der SPD-Bundestagsfraktion noch einen Koalitionspartner an der Seite, der sie dazu drängte, in dieser Frage als ressortführende Partei endlich zu handeln, so muss man heute feststellen, dass ohne den nötigen Druck offenbar alles wesentlich länger dauert.
Der Umstand, dass man auf einen Antrag der Regierungsfraktionen in dieser Frage so lange warten muss, ist an sich schon äußerst unbefriedigend, wäre aber hinnehmbar, wenn der Antrag selbst eine inhaltliche Tiefe hätte, die eine solche „Bearbeitungszeit“ rechtfertigen könnte. Mit Ernüchterung muss man aber feststellen, dass der vorliegende Antrag leider substanziell hinter den Leitlinien des BMBF zurückbleibt – er es also nicht vermag, die Mindestzielvorgaben des eigenen Ministeriums zu erfüllen.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Wird in den „Zehn Leitlinien einer modernen Ressortforschung“ unter Punkt fünf explizit eine Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses – einhergehend mit der Schaffung von Weiterqualifizierungsmaßnahmen des wissenschaftlichen Personals an den jeweiligen Einrichtungen – gefordert, so findet sich dieser wichtige Punkt im Forderungskatalog des Antrags nicht wieder. Zwar wird im Begründungsteil in dieser Frage noch explizit auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats hingewiesen und festgestellt, dass zur optimalen Ausschöpfung der Potenziale der Ressortforschungseinrichtungen die Nachwuchsförderung eine wichtige Rolle spielt. Doch leider unterlässt es der Antrag, diesen Punkt im Forderungsteil aufzugreifen. Oder um es anders auszudrücken: Es wird ein Bedarf identifiziert; allein die logische Schlussfolgerung aus der Analyse hin zu einer Handlungsempfehlung erfolgt nicht. Daher sei an dieser Stelle die Frage erlaubt, wie die Regierungsfraktionen dem künftigen Bedarf der Ressortforschung Rechnung tragen möchten, wenn sie den jeweiligen Einrichtungen nicht die Mittel in die Hand geben, qualifizierten wissenschaftlichen
Nachwuchs für ihre spezifischen Bedarfe auszubilden?
Im Antrag der Koalitionsfraktionen ist zudem die Rede davon, dass die Ressortforschungseinrichtungen – insbesondere solche mit einem hohen Forschungsanteil – „im Wettbewerb zu universitären sowie außeruniversitären… Wissenschaftseinrichtungen“ stehen und sie folglich auch „im Wettbewerb um hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestärkt werden“ müssen. Zur Bewältigung dieser Aufgabe müssen diese Einrichtungen jedoch über geeignete Möglichkeiten der akademischen Ausbildung verfügen, um entsprechend qualifiziertes Personal möglichst frühzeitig zu rekrutieren und an sich zu binden. Denn die Ressortforschungseinrichtungen werden ihren künftigen akademischen Personalbedarf nicht allein durch die Anwerbung externen Personals decken können.
Aber selbst inhaltliche Punkte, die tatsächlich von den „Zehn Leitlinien einer modernen Ressortforschung“ ihren Weg in den Antrag gefunden haben, werden bei genauer Betrachtung im Spiegel der Regierungsrealität als das enttarnt, was sie sind: reine Lippenbekenntnisse. So findet sich in besagtem Antrag bzw. in den Leitlinien die richtige Einschätzung wieder, dass im Sinne einer stärkeren Vernetzung der jeweiligen Ressortforschungseinrichtungen mit dem Wissenschaftssystem gemeinsame Berufungen mit Hochschulen als „geeignetes Mittel“ anzusehen sind. Nach Auskunft der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann ist diese Berufungspraxis seit dem Jahr 2007 – also seitdem diese Forderung erstmals in den Leitlinien der Bundesregierung publik gemacht wurde – in lediglich drei(!) Ressortforschungseinrichtungen erfolgt. Alle drei Einrichtungen fallen in den Geschäftsbereich des BMWi, was ebenfalls für eine nur punktuelle Umsetzung dieser Vorgabe spricht.
Auch wenn der Antrag zu der Erkenntnis kommt, dass die „wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Einrichtungen… maßgeblich von deren wissenschaftlichem Leitungspersonal“ abhängt, scheint es die Bundesregierung im Einzelfall besser zu wissen. Als Negativbeispiel sei an dieser Stelle die Berufungspraxis des Bundesministers Ramsauer bei der Ressortforschungseinrichtung Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, BBSR, genannt. Offenbar scheint ebenjener Bundesminister wissenschaftliche Expertise und Exzellenz mit Parteizugehörigkeit zu verwechseln. Man weiß zwar, dass der neue Leiter ein schwarzes Parteibuch hat; eine einschlägige Publikationsliste dieses neu berufenen Leiters der Ressortforschungseinrichtungen ist uns zumindest – und wohl auch der Bundesregierung – nicht bekannt. Ob auf diese Weise die gewünschte Vernetzung mit der Wissenschaftslandschaft herbeigeführt werden kann, sei dahingestellt. Dem Ansehen der Ressortforschungseinrichtungen ist eine solche Berufungspraxis jedenfalls nicht dienlich.
Die Mängelliste ist noch viel länger, kann aber – mangels Zeit – nicht weiter ausgeführt werden. Abschließend sei aber darauf verwiesen, dass wir uns zu den vom Wissenschaftsrat angeregten wichtigen Fragen hinsichtlich der künftigen eigenen Einwerbung von Drittmitteln und der Koordinierung der Forschungsund Entwicklungstätigkeiten der Ressortforschungseinrichtungen handfeste Handlungsvorschläge gewünscht hätten. Aber bei diesem Wunsch verhält es sich wie bei so manchen Versprechungen dieser Bundesregierung: Sie bleiben unerfüllt.