Polarregionen schützen - Polarforschung stärken
Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 24. Mai 2012 zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem SPD-Antrag „Polarregionen schützen - Polarforschung stärkenn“; Deutscher Bundestag, 181. Sitzung, TOP 30
René Röspel (SPD):
Nach unseren Diskussionen im Plenum und Ausschuss kann man wohl sagen, dass alle hier vertretenen Fraktionen die Überzeugung eint, dass die Polarforschung einen wichtigen und notwendigen Forschungszweig darstellt. Mit Freude habe ich darüber hinaus wahrgenommen, dass alle Fraktionen ebenfalls das Ziel unseres Antrages, die Polarforschung weiter zu stärken, unterstützen. Bei der Entscheidung über die notwendigen Instrumente zur Stärkung der Polarforschung verabschiedet sich hingegen die Regierungskoalition aus der Einigkeit der Fraktionen.
Für das Jahr 2012 hat die Bundesregierung circa 12 Millionen Euro als Projektförderung für die Meeres und Polarforschung eingeplant. Das begrüßen wir als SPD-Bundestagsfraktion ausdrücklich. Doch angesichts der zu stemmenden Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Klimawandels, wird diese Summe nicht ausreichen. Als SPD-Bundestagsfraktion fordern wir in unserem Antrag deshalb eine Verstärkung der nationalen Mittel. Eine zentrale Rolle spielen wie so häufig die Menschen. Ich weiß, dass viele junge Menschen gerne engagiert und begeistert in diesem Bereich arbeiten und forschen würden. Aber es fehlt an Stellen und damit an Perspektiven. Deshalb fordern wir eine verstärkte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auch in diesem Bereich. Da kann doch ernsthaft auch die Regierungskoalition nichts dagegen haben.
In meiner letzten Rede zum Thema habe ich bereits auf die wissenschaftliche Notwendigkeit einer ganzjährigen Polarforschung in der Arktis und Antarktis hingewiesen. Möglich würde dies zum Beispiel durch die zeitlich begrenzte Parallelnutzung der Forschungsschiffe „Polarstern I“ und der neu zu bauenden „Polarstern II“. Der Wissenschaftsrat hat diese Parallelnutzung ebenfalls vorgeschlagen. Arktis-Forschungsfahrten im Herbst, Winter und frühen Frühjahr würden helfen, die dringend notwendigen Klima- und Meereismodelle zur Ermittlung zukünftiger Entwicklung zu optimieren. Diese notwendigen Messungen können aktuell nicht erhoben werden, da die „Polarstern I“ in diesem Zeitraum normalerweise in der Antarktis unterwegs ist und andere Forschungsschiffe für den ganzjährigen Arktis-Einsatz nicht einsetzbar sind. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, hat sich nun in der aktuellen Gesamtschiffsstrategie gegen die parallele Nutzung zweier Schiffe ausgesprochen. Als SPD-Bundestagsfraktion halten wir diese Entscheidung für falsch. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass fast alle europäischen Staaten eigene Polarforschungsprogramme haben, gleichzeitig aktuell aber nur die Schweden einen eigenen Forschungseisbrecher besitzen, hätte Deutschland somit durch die Bereitstellung von Forschungsschiffszeiten eine koordinierende Rolle in Europa einnehmen können. Diese Chance für den Forschungsstandort Deutschland nutzt das BMBF leider nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und FDP, warum steuern Sie bei diesem Thema nicht gegen?
In der Gesamtschiffsstrategie schreibt das BMBF, dass die Regierung plant, die „Polarstern I“ zu verkaufen. Ein Käufer wird sich sicherlich finden. Denn nicht ohne Grund beneiden uns viele Staaten um die „Polarstern I“. Aber wir sollten hier nichts überstürzen. Ein Verkauf sollte erst vonstatten gehen, wenn klar ist, dass die „Polarstern II“ ein ebenso gelungenes Forschungsschiff ist wie ihre Vorgängerin. Schiffbauliche Nachbesserungen können wir uns nicht leisten. Deshalb ist die enge und gute Zusammenarbeit des Alfred-Wegener- Instituts, des BMBF, der noch zu beauftragenden Reederei und Werft so wichtig. Nur so wird gewährleistet, dass die neue „Polarstern II“ auch wirklich wie angekündigt 2017 in See stechen kann. Als SPD-Bundestagsfraktion werden wir diesen Prozess weiter positiv-kritisch begleiten.
In unserem Antrag sprechen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion für ein fokussiertes europäisches Polarforschungsprogramm innerhalb „Horizon 2020“ aus. Die Koalition lehnt diese Forderung ab. Wieso, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft. In der Wissenschaftscommunity wird nach einem europäischen Arktis-Forschungsprogramm und damit nach einer politischen Aufwertung der europäischen Polarforschung gerufen. Um die Chancen dafür zu erhöhen, benötigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber die politische Unterstützung insbesondere der Bundesregierung. Leider warten sie auf diese bisher vergebens. Das muss sich ändern!
Am Ende meiner Rede möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, der mich in der Diskussion über die Polarforschung erschreckt hat. Bei der ersten Lesung spekulierte ein Kollege aus der CDU/CSU ganz offen über die Chancen der unerschlossenen natürlichen Ressourcen der Arktis. Dabei müssten doch eigentlich alle wissen, wie sensibel dieses Ökosystem ist. Wollen wir dies wirklich für kurzfristige wirtschaftliche Interessen aufs Spiel setzen? Die Forderungen nach einem stärkeren Schutz der Arktis, die sich unter anderem in dem uns hier vorliegenden Grünen-Antrag wiederfindet, können wir als SPD-Bundestagsfraktion deshalb nur voll unterstützen. Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der
Regierungsfraktionen, kann ich für beide hier vorliegenden Anträge aus diesen Gründen nur ans Herz legen: Stimmen Sie zu!