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Biobanken aubauen

08.03.2012

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 08. März 2012 zum SPD-Antrag „Biobanken als Instrument von Wissenschaft und Forschung ausbauen, Biobanken-Gesetz prüfen und Missbrauch genetischer Daten und Proben wirksam verhindern“; Deutscher Bundestag, 165. Sitzung, TOP 19

René Röspel (SPD):

Vor ein paar Monaten haben in mehreren Regionen Deutschlands Bürgerinnen und Bürger Post von einem Netzwerk deutscher Forschungseinrichtungen bekommen, unter anderem der Helmholtz-Gemeinschaft. In dem Schreiben wurden sie gebeten, an der sogenannten Nationalen Kohorte teilzunehmen. In dieser Kohortenstudie sollen circa 200 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer medizinisch untersucht und nach Lebensgewohnheiten wie körperliche Aktivität, Rauchen, Ernährung und Beruf befragt werden. Darüber hinaus werden allen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern Blutproben entnommen und für spätere Forschungsprojekte in einer zentralen Bioprobenbank gelagert. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhoffen sich durch diese Informationen neue Erkenntnisse über die Entstehung von Krankheiten. Später sollen aus den gewonnenen Daten und Proben Strategien für eine bessere Vorbeugung und Behandlung der wichtigsten Volkskrankheiten abgeleitet werden, ein nachvollziehbares und gutes Ziel, das hoffentlich erreicht werden wird. Diese Nationale Kohorte wird damit die größte Kohorte Deutschlands sein und soll mindestens über einen Zeitraum von 20 Jahren laufen.

Da bei dieser Kohorte Blutproben genommen und verwahrt werden und diese bestimmten Personen anonymisiert zugeordnet werden können, handelt es sich hierbei um eine sogenannte Humanbiobank – allgemein auch als Biobank bezeichnet. Unter Biobanken werden Sammlungen von Proben menschlicher Körpersubstanzen wie Gewebe, Blut oder DNA verstanden, die mit personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen verknüpft sind und medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken dienen. Der Großteil der existierenden Biobanken wird derzeit zu Forschungszwecken genutzt.

Würden Sie an der Nationalen Kohorte teilnehmen, wenn Ihnen nicht klar wäre, was mit diesen sehr persönlichen Informationen bzw. den Blutproben genau passiert? Würden Sie teilnehmen, wenn Sie nicht genau wüssten, ob zum Beispiel Straf-verfolgungsbehörden Zugriff auf diese Informationen haben oder was mit den Proben nach Ende des Projekts passiert? Genau das sind die Themen, mit denen sich die beiden uns hier vorliegenden Anträge beschäftigen.

Im Mai letzten Jahres hat im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf Grundlage dieser Anträge eine öffentliche Anhörung stattgefunden. Vorangegangen waren Stellungnahmen des Nationalen Ethikrates, des Deutschen Ethikrates und des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag. Während der Anhörung wurde neben der Bedeutung von Biobanken für die Wissenschaft auch darüber diskutiert, ob für diese eine rechtliche Regelung in Deutschland notwendig sei und, wenn ja, welche Aspekte dabei reguliert werden sollten.

Am Ende wurde noch einmal deutlich, welche Bedeutung Biobanken für die Wissenschaft und Medizin zur Bekämpfung von komplexen Erkrankungen haben. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die erfolgreiche Biobankenforschung eine große freiwillige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger benötigt. Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass etwa die Hälfte der Befragten Biobanken keine Proben und persönlichen Daten zur Verfügung stellen wollen. Das mag am Mangel an Informationen oder der grundsätzlichen Skepsis der Deutschen gegenüber der Weitergabe von persönlichen Daten liegen. Fakt bleibt aber, wie es der Sachverständige Professor Peter Dabrock für die Anhörung formuliert hat: Ohne freiwillige Probanden keine Biobankforschung!

Aufgabe von Wissenschaft und Politik muss es also sein, die Informationslage zu verbessern und die allgemeine Skepsis zu verringern, aber auch Defizite oder Unsicherheiten zu beheben. Dafür sind Transparenz und Glaubhaftigkeit enorm wichtig. Kontraproduktiv wirken hingegen die durch die Experten dargestellten Regelungslücken bzw. Unklarheiten zum Beispiel beim Zugang der Daten für Dritte. Professor Dabrock verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass die klassischen Prinzipien des Datenschutzes – die Datensparsamkeit, die Zweckbindung und die informierte Einwilligung – aufgrund der spezifischen Eigenschaften von Biobanken kaum umgesetzt werden können. Daraus zieht er den Schluss, dass gerade dann, wenn man Vertrauen in Biobanken aufbauen will, neue rechtliche Regelungen nicht auszuschließen sind. Genau diese Prüfung hat die SPD-Bundestagsfraktion ebenfalls im hier vorliegenden Antrag gefordert.

Im Ausschuss meinten die Vertreter der Bundesregierung, dass die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates nach einer spezifischen gesetzlichen Regelung von Biobanken bzw. zur Biobankforschung bereits heute auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelungen umgesetzt werden könnten. Wenn dem denn so ist, dann frage ich Sie: Welche Empfehlungen hat denn die Bundesregierung seit der Veröffentlichung der Stellungnahme im Jahre 2010 beim Thema Biobanken umgesetzt oder wenigstens auf den Weg gebracht? Gar keine. Insofern verstehe ich nicht, warum CDU/CSU und FDP nicht auf die vielen Expertinnen und Experten hören und endlich im Sinne der Wissenschaft und der Forschung tätig werden.

In unserem Antrag haben wir weitere Forderungen im Bereich der Biobanken gestellt. So verlangen wir zum Beispiel ein umfassendes Förderkonzept für den Ausund Aufbau von Biobanken sowie eine regelmäßige Unterrichtung des Bundestages zur Forschungsinfrastruktur im Bereich Biobanken. Was genau, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, ist denn gegen diese Forderungen einzuwenden? Was hält Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP, davon ab, mindestens diese Minimalforderungen umzusetzen?

Für uns als SPD-Bundestagfraktion sind Biobanken ein wichtiges Instrument für die Wissenschaft und Forschung. Es besteht aber die Gefahr, dass die aktuellen datenschutzrechtlich aufgeworfenen Fragen sowie die ungeregelte Einbindung von Ethikkommissionen und Verfahrensregelungen die notwendige Akzeptanz und Teilnahme durch die Bürgerinnen und Bürger gefährdet. Es wäre schade, wenn Projekte wie die Nationale Kohorte nicht die nötige Resonanz erhalten würden, nur weil die aktuelle Bundesregierung nicht bereit ist, die bereits auf dem Tisch liegenden Lösungen mindestens zu prüfen, geschweige denn umzusetzen. Es wäre jetzt endlich an der Zeit dafür!

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: