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Den EURATOM-Vertrag reformieren

29.09.2011

zu Protokoll gegebene Rede René Röspel, MdB (SPD)
TOP 14 Antrag LINKE „Eine Europäische Gemeinschaft für die Förderung erneuerbarer Energien gründen - EURATOM auflösen“



Herr/ Frau Präsident/in! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Vor über 50 Jahren haben sich europäische Regierungsvertreter in Rom zusammengefunden und die Europäische Atomgemeinschaft (heute EURATOM) gegründet. Damals lebte man noch in der Überzeugung, dass

„[..] die Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt [..]“.

Meine Damen und Herren, ich glaube, diesen Satz teilt heute keiner mehr in diesem Parlament. Insofern wird hier auch keiner mehr dafür eintreten wollen:

„[..] entschlossen, die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen [..]“.

Genau diese beiden Sätze stehen aber so im EURATOM-Vertrag - und zwar bis heute- und spiegeln damit den Geist des EURATOM-Vertrages wider. Von der heutigen politischen Einschätzung zur Kernenergie ist dies aber weit entfernt. Insofern ist klar, dass dieser Vertrag reformiert werden und der Realität angepasst werden muss.

Bereits 2007 hat Deutschland unter der rot-grünen Bundesregierung zusammen mit den Regierungen von Irland, Ungarn, Österreich und Schweden auf europäischer Ebene dazu aufgefordert, die Substanz des Vertrages an die aktuellen Verhältnisse anzupassen. Leider hat sich seit dem wenig – besser gesagt nichts- getan. Das hat auch mit dem Regierungswechsel in Berlin zu tun. Denn CDU/CSU und FDP glaubten bis Fukushima ja immer noch an das Heil der Atomkraft. Aktuell hat die Rot-Grüne Landesregierung meines Bundeslandes Nordrhein-Westfalen einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht, der ebenfalls eine Reform des EURATOM-Vertrages anmahnt. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD zusammen mit den GRÜNEN beschäftigt sich schon lange und intensiv mit dem Thema EURATOM.

Um die Ziele des EURATOM-Vertrages zu erreichen, wurde seitens der EU-Kommission im Rahmen des aktuellen 7. Forschungsrahmenprogramms für den Zeitraum 2007 bis 2011 insgesamt über 3 Milliarden Euro für Forschungsaktivitäten zur Verfügung gestellt. Über 2 Milliarden Euro gingen dabei in die Fusionsforschung, insbesondere für die kontrovers diskutierte Entwicklung des Fusionsforschungsreaktors ITER. Für den Zeitraum 2012 bis 2013 wurde der Betrag für EURATOM auf 2,5 Milliarden Euro festgelegt. Auch hierbei geht der größte Anteil des Geldes an ITER, nämlich 2,2 Milliarden Euro. Fakt ist also, dass der Forschungsförderungsbereich im EURATOM-Vertrag derzeit vorwiegend zur Finanzierung der Fusionstechnologie genutzt wird. Ob das Geld dort gut aufgehoben ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Wir haben da große Zweifel.

Es ist nicht eindeutig geklärt, ob Deutschland einseitig zum Beispiel durch Kündigung aus dem EURATOM-Vertrag aussteigen kann. Unabhängig davon finde ich eine andere Argumentation überzeugender: Einen Verein oder eine Partei verändert man am besten von innen. Beim EURATOM-Vertrag ist das nicht anders. Deshalb verstehe ich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, Ihre Argumentation in diesem Punkt nicht. Sie fordern im vorliegenden Antrag eine Reform und gleichzeitig den Ausstieg aus EURATOM. Wenn man aber etwas verändern will, kann man doch nicht einfach aus den Entscheidungsgremium aussteigen! Völlig logisch ist doch, dass sich EURATOM nach einem Ausstieg Deutschlands gar nicht verändert. Übernahme von Verantwortung sieht meiner Meinung nach anders aus.

In Deutschland wird 2022 endlich das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen. Der strahlende Müll wird hingegen noch Generationen nach uns beschäftigen. Denn eine Lösung haben wir dafür immer noch nicht. In Europa wird es nach heutigem Stand leider auch über das Jahr 2022 Atomkraftwerke geben. Wir als Deutsche haben deshalb ein großes Interesse, dass die EU für alle Atomkraftwerke sowie Zwischen- und Endlager höchste einheitliche Sicherheitsstandards vereinbart. Im Bereich der Sicherheits- und Endlagerkonzepte besteht somit europäischer Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Auch in der medizinischen Forschung wäre eine stärkere europäische Zusammenarbeit von Vorteil. Ich denke dabei zum Beispiel an die Behebung des Technetium-99-Mangels. Klar muss aber auch sein, dass die Forschungsförderung zum Ausbau oder sogar Neubau von Atomkraftwerken zur Energiegewinnung nicht Aufgabe einer gemeinsam finanzierten Forschungsförderung sein darf. Ob die Fusionsforschung im heutigen Finanzrahmen weitergeführt werden sollte, bleibt ebenfalls zu diskutieren.

Die verstärkte Förderung von erneuerbarer Energie ist notwendig und richtig. Hierfür sind mehr nationale und europäische Anstrengungen nötig. Ob auf europäischer Ebene ein eigener Vertrag das adäquate Mittel ist, muss nun geprüft werden. Grundsätzlich halten wir den Schwenk von der europäischen Atompolitik hin zur Förderung von Effizienz und Erneuerbaren Energien für unausweichlich, unverzichtbar und mit großen Chancen verbunden. Ich freue mich somit auf die weiteren Diskussionen zu den angesprochen Punkten mit Ihnen im Ausschuss.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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