20 Jahre TAB - eine Erfolgsgeschichte
Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 30. Juni 2011 zum SPD Antrag SPD „20 Jahre Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag - Ein gelungenes Beispiel und internationales Modell für den Austausch von Wissenschaft und Politik“ zum GRÜNEN-Antrag „Technikfolgenabschätzung im Bundestag und der Gesellschaft stärken“; Deutscher Bundestag, 117. Sitzung, TOP 27
Herr/ Frau Präsident/in! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Anfang der Woche publizierte die Süddeutsche Zeitung einen Aufsatz des Mediziners Dietrich Grönemeyer. Er schreibt darin über den menschlichen Forschungsdrang und den Begeisterungswillen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihr Fach, der viele Ergebnisse, Technologien und Produkte erst ermöglich hat. Gleichzeitig weist Prof. Grönemeyer aber darauf hin, dass sich diese Wissenschaftler zu selten mit den möglichen negativen Auswirken dieser neuen Technologien auseinandersetzen. „Die nötigen Sicherheitskonzepte werden immer erst in der Not, kaum aber vorausschauend entwickelt.“ so schreibt Grönemeyer.
Leider hat Prof. Grönemeyer mit dieser Aussage Recht. Die schlimmen Vorfälle in Fukushima haben uns dies leider wieder schmerzlich vor Augen geführt. Vor einer realistischen Abschätzung der möglichen Folgen der Atomkrafttechnik wurden dort wie leider auch hier in Deutschland viel zu lange die Augen verschlossen. Das war und ist verantwortungslos.
Aber zum Glück gibt es viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich über die möglichen negativen wie positiven Auswirkungen von Technologie Gedanken machen. Diesen eigenen Wissenschaftszweig nennt man Technikfolgenabschätzung. Und ich bin sehr stolz darüber, dass das Deutsche Parlament vor über 20 Jahren ein eigenes Büro zu diesem Thema eingerichtet hat, das sogenannte TAB. Dort werden genau diese wichtigen Fragen behandelt. Es freut mich auch sehr, dass die Notwendigkeit dieses Büros mittlerweile fraktionsübergreifend bestätigt wird. Ich weiß, dass einige Abgeordnete dafür in ihrer Fraktionen ziemlich viel Überzeugungsarbeit verrichten mussten. Aber spätestens seit Fukushima wächst auch in den konservativen Reihen die umfassende Erkenntnis, dass durch eine ernsthafte und frühzeitige Beschäftigung mit Chancen und eben auch den Risiken allen Beteiligten viel Leid und Ausgaben erspart werden kann. Denn nur wer die Risiken realistisch einschätzen kann, kann sich gegen diese wappnen und damit die Chancen der Technologie adäquat nutzen.
Stark beeindruckt hat mich zum Beispiel einer der letzten TAB-Berichte mit dem Thema „Auswirkungen eines großflächigen Stromausfalls“. Hierbei untersuchen die Verfasser im Auftrag des Bundestages, wie gut bzw. schlecht Bereiche des täglichen Lebens wie zum Beispiel die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung auf einen Stromausfall vorbereitet sind. Und das Ergebnis ist niederschmetternd. So schreiben die Autoren:
„Die Folgeanalysen haben [..] gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens-) notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist.“
Hier zeigt sich, wie verletzlich und abhängig wir in unser heutigen modernen Welt doch sind. Die vielen Teilnehmer bei der öffentlichen Vorstellung des Berichts Mitte Mai zeigen uns, wie groß das Interesse dafür ist. Die Erkenntnisse des Berichts stellen nicht nur Informationen für Politik und Gesellschaft zur Verfügung, sondern können sich auch zu einem Auftrag an die Politik entwickeln: zum Beispiel dafür Sorge zu tragen und die Voraussetzungen zu schaffen, dass beschriebene Szenarien möglichst nicht oder wenigstens abgemildert eintreten. Übersetzt für diesen Bereich wären das zum Beispiel politische Initiativen zur Umgestaltung der Energieversorgung hin zu mehr Autarkie und Dezentralität.
TAB- Berichte nehmen oft gesellschaftliche Diskussionen vorweg. Dies haben wir bei den Berichten zur Nanotechnologie, der Fusionsforschung oder dem CERN gesehen. Das Parlament beschäftigt sich vorab also durchaus mit möglichen Risiken von Technologien. Am Ende liegt es aber natürlich an uns Abgeordneten, wie wir mit den Informationen umgehen. Und im Fall des Berichts Stromausfall, den ich Ihnen wirklich allen zur Lektüre empfehlen kann, hoffe ich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in den entsprechenden Ausschüssen daraus die nötigen Konsequenzen ziehen.
Technikfolgenabschätzung ist ein wichtiger Bestandteil der Wissenschaft. Wir im Deutschen Bundestag sind dabei bereits gut aufgestellt. Deshalb sollte es uns eigentlich leicht fallen, unsere europäischen Partner davon zu überzeugen, zum Beispiel für das europäische 8. Forschungsrahmenprogramm mehr Geld für den Bereich der Technikfolgenabschätzung zur Verfügung zu stellen. Hier ist jetzt besonders die Bundesregierung gefragt auf europäischer Ebene tätig zu werden.
In unserem Antrag fordern wir unter anderem mehr Geld für das TAB. Denn die Anzahl der vom Parlament eingeforderten Berichte steigt ständig. In den nächsten Monaten erwarten wir zum Beispiele Berichte zu so spannenden Themen wie Elektromobilität, Synthetische Biologie, Geoengineering oder ökologischem Landbau. Um diese so unterschiedlichen Themen in der nötigen Tiefe und Breite bearbeiten, braucht es aber auch die entsprechende Anzahl an Mitarbeitern. Insofern ist es nur konsequent, dass nach langen Jahren der Stagnation auch die Mittel für das TAB steigen. Die diesjährige Erhöhung war ein erster Anfang. Es müssen aber, abhängig vom Arbeitspensum, weitere folgen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird an diesem Thema dran bleiben.