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Personaloffensive für den wissenschaftlichen Nachwuchs starten

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22.09.2011

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat der Kollege René Röspel für die SPDFraktion

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

René Röspel (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wanka, ich darf Ihnen für eine doch überwiegend differenzierte Darstellung und Abarbeitung des Problems danken, die ich als wohltuend empfunden habe. Diesen Dank will ich aber mit einer Klage bezüglich einiger Koalitionsredner verbinden, bei deren Beiträgen ich diese Differenziertheit und auch Souveränität leider vermissen musste.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Forschungs- und Bildungspolitik des Bundes fängt nicht 2005 mit der Großen Koalition an. Wenn Sie noch weiter zurückschauen wollen, dann empfehle ich Ihnen einen Blick in das EFI-Gutachten des letzten Jahres, das eine aussagekräftige Tabelle enthält, die bis in die 80er-Jahre hinein zurückreicht und in der dargestellt wird, wie sich der Anteil der öffentlichen Investitionen in der Forschung entwickelt hat. Hier erhält man ein paar Daten, nämlich zum Beispiel, dass nach einer Lethargie im Bildungs- und Forschungsbereich – unter anderem verursacht von Herrn Rüttgers und Herrn Kohl – Rot-Grün ab 1998 nicht nur endlich wieder Geld für Bildung und Forschung in die Hand genommen, sondern gesellschaftlich auch einen anderen Stellenwert von Bildung und Forschung auf den Weg gebracht hat, was noch viel wichtiger ist.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Wir danken Ihnen ausdrücklich, dass das durch Schwarz-Rot im Rahmen der Großen Koalition fortgesetzt wurde und auch jetzt in dieser Koalition fortgesetzt wird. Das ist unser Lob an Sie, das wir im Antrag in Teilen auch dokumentiert haben und das Sie, Herr Kretschmer, zu Recht vorgelesen haben. Wir finden das in vielen Teilen ja auch gut.

Man muss auch feststellen, dass wir mit dem Pakt für Forschung und Innovation, durch den wir den Forschungseinrichtungen Geld für die nächsten Jahre verlässlich zusichern – es sei übrigens gesagt, dass das eine sozialdemokratische Erfindung ist –, und mit dem Hochschulpakt, durch den wir Studien-plätze finanzieren, wirklich Geld in die Hand genommen haben. So konnte sich die Forschungslandschaft entwickeln. Das sieht man auch von außen. Die Amerikaner gucken mittlerweile vielleicht sogar neidisch auf die Entwicklung in Deutschland und sagen: Da tut sich etwas. – Das stellen ja auch die deutschen Wissenschaftler fest, die in den USA arbeiten. Man kann auch davon sprechen, dass die Universitäten wirklich sichtbarer geworden sind und dass diese Forschungslandschaft belebt worden ist.

Wir können über Zuwächse und auch über Stellenanteile reden. Herr Rupprecht, das haben Sie richtig zitiert.

(A) Das Problem ist aber, dass Forschungslandschaft nicht bedeutet, dass irgendwo Bäume oder neu gestrichene Universitäten herumstehen, sondern es geht um Menschen.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Wir haben Geld zur Verfügung gestellt, damit Menschen wissenschaftliche Karrieren beginnen können. Mit dieser Förderung haben wir noch viel früher angesetzt. Ich bin Mitglied des AWO-Unterbezirks Ennepe-Ruhr, und ich werde in zwei Wochen wieder das Vergnügen haben, einen unserer Kindergärten zum „Haus der kleinen Forscher“ ernennen zu können. Das heißt, wir fangen ganz früh damit an, Kinder
für die wissenschaftliche Arbeit und für Experimente zu interessieren und sie für die Forschung zu begeistern. Das setzen wir in der Schule fort, und auch an den Universitäten versuchen wir, das fortzusetzen; denn sie sind die Ausbildungszentren für Wissenschaft und Forschung – übrigens in Länderhoheit, Frau Wanka.

Geld ist hier ganz wichtig, aber das ist nur eine Komponente. Wenn wir Menschen für Forschung begeistern wollen, dann müssen wir ihnen auch eine Perspektive geben. Deswegen bin ich Swen Schulz und den vielen anderen sehr dankbar dafür, dass sie diesen Antrag geschrieben haben. Wir müssen uns wieder darauf fokussieren, um was es tatsächlich geht.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Es gibt begeisterte Menschen, die nach dem Studium sagen: Ja, ich will ein paar Jahre forschen und promovieren. – Sie sind sogar bereit, unter wirklich fürchterlichen Arbeitsbedingungen und für wenig Geld drei, vier oder fünf Jahre zu arbeiten, ihre Dissertation zu erstellen und etwas Neues herauszufinden. Dabei nehmen sie hin, dass ihre Arbeitsbedingungen so schlecht sind. Das nehmen sie vielleicht noch für eine weitere befristete Zeit von drei Jahren hin, in denen sie Geldbeträge erhalten, von denen man keine Familie ernähren und sich auch keine Lebensperspektive aufbauen kann. Trotzdem sind sie dazu bereit.

Auf der anderen Seite – das haben Sie in Teilen angesprochen, Frau Wanka – gibt es die Perspektive der Hochschulen und auch der außeruniversitären Forschungseinrichtungen bis hin zum Max-Planck Institut, die sagen: Wir brauchen einen relativ hohen Durchlauf an Wissenschaftlern, die wir nicht länger als drei Jahre beschäftigen, um dann aus der großen Vielzahl denjenigen aussuchen zu können, der am besten dazu geeignet ist, weiterzumachen oder sogar Hochschulprofessor zu werden.

Das ist ein Spannungsverhältnis. Auf der einen Seite steht das Interesse der Hochschulen, Innovationen zu fördern, viele Projekte durchzuführen, viele Menschen einzustellen. Auf der anderen Seite befinden sich die jungen Menschen, die bereit sind, sich in der Wissenschaft zu engagieren, und die sich freuen, nach dem Studium das erste Mal ein bisschen Geld zu verdienen, in einer schwierigen Situation; denn mit 40 Jahren fragen sie sich: Wie geht es nun weiter?

Der Deutsche Hochschulverband hat in einer Stellungnahme Anfang des Jahres erklärt, dass die wissen schaftliche Karriere in Deutschland leider weniger von der eigenen Leistung als von der Haushaltslage abhängt. Wenn jemand mit 28 Jahren sein Studium abschließt, eine wissenschaftliche Karriere anstrebt und auch eine freie Stelle findet, dann weiß er nicht, was nach der Promotion sein wird. Er kann sich möglicherweise in einer Situation wiederfinden, in der er nicht weiterkommt. Genau das ist das Spannungsfeld, innerhalb dessen sich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz bewegt.

Frau Wanka, es gab auch eine Zeit vor 2002. Damals gab es keine Familienregelung, nach der sich die befristeten Verträge mit der Zahl der Kinder verlängern ließen. Es gab die Möglichkeit, über einen Arbeitgeberwechsel Befristungen neu starten zu lassen. Das heißt, man konnte sich von einem Fünfjahresvertrag zum nächsten hangeln, wenn man einen neuen Arbeitgeber, sprich: ein neues Institut an der Universität, fand. Auch das war nicht gut. Dieses Spannungsverhältnis müssen wir auflösen.

Dazu hat die SPD schon einige Vorschläge wie Tenure Track vorgelegt: Wenn jemand als wissen schaftlicher Mitarbeiter gut ist, dann wird ihm zum Beispiel eine Festanstellung als Professor oder Professorin angeboten. Wir fordern deutlich mehr Juniorprofessuren. Aber wir werden auch darüber reden, inwieweit die Länder durch die Programmpauschale belastet werden.

Am Kernproblem kommen wir jedoch nicht vorbei. Bund und Länder sind hier gemeinsam gefordert, eigene Interessen oder Befindlichkeiten aufzugeben. Die zentrale Ausbildungsstelle für Wissenschaft sind die Universitäten. Wenn wir als Bund Geld geben, wir aber sehen, dass die Länder zunehmend nicht mehr in der Lage sind – ich will jetzt nicht von der Steuerpolitik dieser Koalition reden –, ihren Anteil zu leisten, dann können wir die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses – es geht darum, mehr unbefristete Stellen an den Universitäten zu schaffen – nicht weiter verbessern. Deswegen appelliere ich an Bund und Länder, die eigenen Interessen zurückzustellen, sich die Interessen des wissenschaftlichen Nachwuchses anzuschauen und gemeinsam mit Geld in der Hand für mehr unbefristete Stellen zu sorgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: