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Forschung und Innovation brauchen gute Bildung

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10.06.2010

Frau Präsidentin!

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Schavan, erlauben Sie mir, Ihnen heute auch namens der Fraktion ganz herzlich zum 55. Geburtstag zu gratulieren. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Jetzt wird es wieder politisch: Wenn man wie ich schon fast elf Jahre hier stehen darf und immer wieder über die Einbringung eines Bundesberichtes Forschung und Innovation oder des Berichtes der Expertenkommission Forschung und Innovation debattieren kann – das ist eine Expertenkommission, die sich die Forschungslandschaft Deutschland sozusagen von außen, unabhängig anguckt –, dann kann man als Bildungs- und Forschungspolitiker hier durchaus relativ gut gelaunt stehen, denn die letzten elf Jahre sind nicht schlecht gewesen.

Ich habe als Wissenschaftler noch die bleierne Zeit der 90er-Jahre erlebt, als der Bildungs- und Forschungsetat unter dem damaligen Forschungsminister Rüttgers und ehemaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen entweder stagnierte oder sogar gekürzt wurde. Diese Zeit ist seit dem Jahr 1989 glücklicherweise vorbei, als Rot-Grün die Regierung übernahm –

(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1998 war das!)

– ich bitte um Entschuldigung, seit 1998; ich habe beides miterlebt –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und Bildung und Forschung in dieser Republik einen anderen Stellenwert erhalten haben, nicht nur was die Steigerung der Finanzmittel anbelangt. Man kann sowohl imBericht der EFI als auch im BuFI sehr gut nachvollziehen, wie das aussah.

Ich bin sehr froh, dass wir das in der Großen Koalition ab 2005 haben fortsetzen können. Die Zuwächse sind weiter gestiegen. Ich bin sehr zufrieden, dass auch in der neuen Regierung erkannt worden ist, dass Bildung und Forschung eine zentrale Aufgabe in dieser Republik ist. Kompliment für die 12 Milliarden Euro! Wir sehen sie noch nicht ganz. In den Erläuterungen zum Sparpaket vom Montag steht – ich habe es mir extra herausgeschrieben –:Wir halten an unserem Ziel fest, 12 Milliarden Euro zusätzlich für Forschung, Bildung und Entwicklung bis 2013 bereitzustellen.

Das klingt etwas anders, als wenn man sagen würde: Wir werden das auch tun.

(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Wir tun das!)

Möglicherweise klingt in dieser Formulierung die Unsicherheit mit,

(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Kleinkrämer!)

ob das alle Beteiligten auch wirklich mittragen können. Denn – dies ist heute Morgen mehrmals gesagt worden – Sie hauen den Ländern über die Steuerpolitik, die Sie in letzter Zeit gemacht haben, die Finanzierungsmöglichkeiten weg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Rot-Grün hat 1998 nicht nur die Mittel erhöht, sondern auch inhaltlich neue Schwerpunkte gesetzt. Das Wahlprogramm der SPD hieß damals: „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“. Das heißt, wir wollten Bildung und Forschung einen neuen Stellenwert geben. Wenn man den BuFI aufschlägt, findet man sehr schnell unter dem Stichwort „Die drei Reforminitiativen von Bund und Ländern“ drei sehr wesentliche Initiativen, die in den letzten Jahren die Bildung vorangebracht haben: Das ist erstens der Pakt für Forschung und Innovation, mit dem die außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen und -organisationen deutlich gefördert werden.

Das ist zweitens der Hochschulpakt für mehr Studienplätze und bessere Studienbedingungen. Das ist drittens die Exzellenzinitiative, die die Forschungslandschaft in Deutschland tatsächlich bewegt hat.

Alle drei Reforminitiativen sind übrigens Ergebnisse rot-grüner Regierungspolitik, unterschrieben von Edelgard Bulmahn, der SPD-Bildungsministerin, in 2005. Wir freuen uns, dass diese Initiativen sehr weit vorne im Bundesbericht Forschung und Innovation ihren Platz finden.

EFI, also die Expertenkommission Forschung und Innovation, weist uns immer wieder darauf hin, dass wir neue Technologien fördern müssen. Auch unter Rot-Grün und in der letzten Legislaturperiode gab es sicherlich Defizite. Aber Rot-Grün hat sich das 1998 auf die Fahnen geschrieben. Wir haben das Projekt der ökologischen Erneuerung der Gesellschaft auf den Weg gebracht.

Das war damals im Wesentlichen – ich darf daranerinnern – das 100 000-Dächer-Solarstrom-Programm. Wir haben das Erneuerbare-Energien-Gesetz erarbeitet, übrigens gegen großen Widerstand der Opposition, wenn ich mich richtig entsinne. Es ist mittlerweile weltweit anerkannt. Im Bereich der erneuerbaren Energien, bei der Solartechnologie und der Windkraftenergie, sind wir Weltmeister bzw. Marktführer. 15 Prozent unseres Bruttostromverbrauches stammen mittlerweile aus erneuerbaren Energien.

Dies schafft Arbeitsplätze in einer Dimension, wie wir das bis dato nicht gekannt haben. Es hat zu einem Technologieschub geführt, wie es ihn vorher nicht gab. Zu Recht widmet der EFI-Bericht extra ein Kapitel dem Bereich Fotovoltaik, um nicht nur die Bedeutung für die Arbeitsplätze, sondern auch für Ostdeutschland insgesamt herauszustellen. Denn dort findet die entsprechende Produktion in erhöhtem Maße statt.

Das ist die Empfehlung von EFI. Was ist die Antwort der schwarz-gelben Regierungspolitik? Sie kürzen die Mittel für Förderungen und Anreizprogramme im Bereich der erneuerbaren Energien und der Solarstromeinspeisung.

Der Bundesrat hat jetzt ein Veto eingelegt. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Das einzig Gute an dieser Maßnahme, die Perspektiven verhindert und die Schaffung neuer Industrien und die Entwicklung neuer Technologien behindert, ist, dass es Ihnen wahrscheinlich wie mir geht: Wir bekommen im Wahlkreis mit, wie viele Unternehmen mittlerweile im Bereich der erneuerbaren Energien arbeiten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da spricht mich ein Unternehmer mit 200 Beschäftigten an, dessen Unternehmen Wechselrichter für die Erzeugung von Solarenergie herstellt. Da kommen Vertreter eines Stahlwerkes auf mich zu, das Elektroband für die Erzeugung von Energie durch Windkraftanlagen produziert und Arbeitsplätze sichert, die umweltfreundlich und standortnah sind. Diese Regierung aber hat nichts anderes im Sinn, als diesen Technologiezweig in höchstem Maße zu verunsichern.

Ein weiteres Problem, auf das im Bericht der Expertenkommission, über den wir heute auch diskutieren, hingewiesen wird, ist der mangelnde Technologietransfer, der in Deutschland stattfindet, also der Übergang von Forschungsergebnissen in kommerziell nutzbare Produkte wie MP3-Player, Faxgeräte und Ähnliches.

Wir legen heute als SPD-Fraktion einen Antrag vor – nachdem wir lange Jahre in der Großen Koalition darüber diskutiert haben und nicht weitergekommen sind –, der sich dem Thema Validierungsforschung widmet. Wir wollen also die Innovationslücke zwischen der Identifizierung von Forschungsergebnissen und der Anwendung in kommerziellen Produkten, wie sie auch die EFI benennt, schließen. Ich würde mich freuen, wenn Sie diesen Antrag nach der Überweisung in die Ausschüsse unterstützen würden.

Ein anderes Thema: EFI fordert auch im zweiten Jahr eine steuerliche Förderung von FuE-Maßnahmen in Unternehmen. Die SPD hat da immer ein bisschen zurückhaltend reagiert und gesagt, das müsse eine zusätzliche Maßnahme sein, das müsse noch oben drauf kommen.

Wir hätten sehr viel Verständnis dafür, wenn diese Bundesregierung sagen würde, im Moment sind diese zusätzlichen Mittel nicht finanzierbar. Aber es war genau diese Bundesregierung, allen voran Ministerin Schavan, die im Oktober 2009 gesagt hat, diese FuE-Förderung müsse mit mindestens 2 Milliarden Euro kommen. Auf meine Anfrage beim Bundesministerium der Finanzen, ob denn nun endlich die steuerliche Förderung kommt und wie die Ausfälle finanziert werden sollen, habe ich bis heute noch keine Antwort erhalten. Das ist übrigens parlamentsrechtswidrig. Der Sache werde ich noch einmal nachgehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

EFI hat im Bericht des Jahres 2009 – man kann nicht immer nur den Bericht aus 2010 anschauen, sondern muss auch schauen, was sozusagen noch an Resten aus den letzten Jahren aufzuarbeiten ist; wir sind ja nicht nur dazu da, Papiere zu verabschieden, sondern wir müssen sie auch lesen – zum ersten Mal das Thema Fachkräftemangel in das Zentrum des Berichts gestellt. Sie schreibt: Die Aufgaben für die F- und I-Politik Deutschlands im nächsten Jahrzehnt liegen … im Umbau des Bildungssystems.

In keinem anderen Industrieland sind die Bildungschancen so von der sozialen Herkunft abhängig wie in Deutschland. Von 100 Akademikerkindern werden 88 ein Studium aufnehmen. Bei gleicher Begabung werden von 100 Arbeitnehmerkindern nur 23 ein Studium aufnehmen.

Das liegt nicht daran, dass diese dümmer sind, sondern daran, dass die Bedingungen es nicht zulassen, dass sie auch eine Chance zur Aufnahme eines Studiums bekommen.

Das sind nicht die ewig gleichen Textbausteine, sondern das sagt eine unabhängige Expertenkommission. Sie fordert deshalb, dass das Bildungssystem verändert und reformiert sowie das im Rahmen der Föderalismusreform geschaffene Kooperationsverbot aufgehoben werden soll.

Die Antwort der schwarz-gelben Regierung ist: Sie zementieren in den Ländern ein völlig veraltetes Bildungssystem und führen Studiengebühren ein. Damit legen Sie genau denen einen Stein in den Weg, die darauf angewiesen sind, möglichst wohnortnah und kostengünstig zu studieren.

(Beifall der Abg. Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD])

Oder kann jemand von den Zuschauern hier mal eben so locker 1 000 Euro pro Jahr allein an Gebühren für das Studium seines Kindes aufbringen? – Damit grenzen Sie aus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das trifft übrigens genau diejenigen, die wir dringend brauchen. Das schreibt EFI auch in ihrem Bericht. Das trifft nämlich gerade Ausländer und Bildungsaufsteiger, also jene, die aus bildungsfernen Schichten kommen. Sie studieren überdurchschnittlich oft ingenieur- und naturwissenschaftliche Fächer. Ich zähle übrigens auch zu diesen. Ich bin Bildungsaufsteiger und habe Biologie studiert. Unsere zweite Rednerin, ebenfalls Bildungsaufsteigerin, ist Physikerin. Das sind genau diejenigen, die am meisten gebraucht werden.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Werte Koalition, ich komme zum Schluss. Gratulation zu 12 Milliarden Euro! Wir werden sehen, ob Sie das Geld bekommen werden. Wir wissen allerdings überhaupt noch nicht, wofür Sie es ausgeben wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist mein letzter Kritikpunkt. Wenn ich am Anfang sagte, dass es 1998 von Rot-Grün eine Strategie und ein Projekt gegeben hat, muss ich jetzt feststellen: Heute sehe ich kein Konzept. Sie haben keine Ideen, Sie haben keine Konzepte, und Sie wissen auch nicht, wohin Sie wollen – außer, dass Sie sich im Moment mit Gemüse- und Tiernamen bezeichnen. Ich fordere Sie auf: Hören Sie auf, sich wie die Kesselflicker zu streiten! Arbeiten Sie zusammen! Machen Sie eine gute Forschungspolitik; denn die Krise bietet die Chance und die Notwendigkeit, eine gute Forschungs- und Bildungspolitik zu machen, die für die Menschen und nicht für Ihre Regierung da ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: