Anbauverbot für Gen-Mais MON810 - Rede im Rahmen der Aktuellen Stunde
Rede in der Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu "Meinungsverschiedenheiten in der Bundesregierung zum Anbauverbot des gentechnisch veränderten Mais MON 810" am 23. April 2009
An dieser Stelle können Sie sich die Rede auch auf Bundestags-TV anschauen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Eigentlich
wollte ich nichts zu dem Thema sagen, weil ich glaube, dass wir uns in
den letzten Jahren genug dazu ausgetauscht haben. Trotzdem muss ich es
sagen: Ich finde es unerträglich, wie einige von Ihnen hier die Not
anderer Menschen und den Welthunger zu ihren Zwecken
instrumentalisieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN � Widerspruch bei der CDU/CSU)
Nehmen Sie es zur Kenntnis! Der ursprünglich in Indien angebaute braune
geschälte Reis stellte genügend Vitamine zur Verfügung. Er ist vom
westlichen geschälten vitaminarmen weißen Reis verdrängt worden. Jetzt
mit westlicher Technologie zu kommen und zu sagen, dass man den
Menschen auch noch den gentechnisch veränderten weißen Reis geben
möchte, um damit deren Probleme zu lösen, ist der völlig falsche Ansatz
und dient der Sache insgesamt nicht.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN � Zuruf der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan [FDP])
Ich möchte wieder zum Thema kommen. Frau Ministerin Aigner hat am 14.
April dieses Jahres den Genmais MON 810 � man könnte ihn auch Seehofer
1 nennen � verboten. Am 17. April hat das zuständige Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit den Bescheid an Monsanto
herausgegeben, in dem die Begründung für dieses Verfahren
nachzuvollziehen ist. Sie erlauben mir, dass ich einige der
Begründungen nenne � sie sind übrigens jeweils wissenschaftlich belegt,
und entsprechende Literaturquellen sind angegeben �:
So viel zur wissenschaftlichen Begleitung des Ganzen. Die neueste Arbeit zeigt, dass auch Maikäfer eine signifikant erhöhte Sterblichkeit aufweisen. Diese Arbeiten haben zu dem Schluss geführt � so steht es in dem Bescheid �, dass aufgrund der neuen und zusätzlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass der Anbau von MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt. Frau Ministerin, ich glaube, Sie haben Ihre Schlussfolgerung, dass der Genmais verboten werden muss, auf begründeter Basis gezogen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Einige der Arbeiten kenne ich seit längerer Zeit. Andere habe ich in der Kürze der Zeit nicht lesen können. Man kann sie kritisch betrachten; das ist richtig. Ich erwarte von kritischer Forschung und wissenschaftlicher Arbeit, dass man Publikationen kritisch betrachtet. Ich habe vor einigen Jahren einmal die Situation der zwei Stapel beschrieben: Auf der einen Seite wächst die Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten, in denen die Grüne Gentechnik sehr kritisch beurteilt wird. Auf der anderen Seite wächst der Stapel der Arbeiten, in denen es heißt: Die Grüne Gentechnik ist unbedenklich, und es gibt keine Hinweise auf das Gegenteil.
Die Frage ist, wie man sich in einer solchen Situation, in der es ein Fragezeichen gibt, entscheidet. Ich glaube, man muss tatsächlich beide Stapel betrachten. Am 16. April dieses Jahres ist eine gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen zur Grünen Gentechnik veröffentlicht worden. Darin wird von Frau Aigner eine vorurteilsfreie Untersuchung von Sicherheitsfragen und möglichen Risiken gefordert. Das kann ich ausdrücklich unterstreichen. Das bedeutet aber, dass man sich tatsächlich mit beiden Stapeln befassen muss.
Wenn man diese Forderung erhebt und dabei mit dem Finger auf andere zeigt, dann weisen nach Gustav Heinemann immer drei Finger auf einen selbst zurück. Ich kann nicht verstehen, dass es in dieser gemeinsamen Erklärung der Wissenschaftsorganisationen, die übrigens auch vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und von der Hochschulrektorenkonferenz als Experten für Grüne Gentechnologie unterzeichnet ist, heißt � Zitat �: Nie haben entsprechende Untersuchungen fundierte Ergebnisse erbracht, die eine Abkehr von dieser Technologie auch nur entfernt nahe legen könnten.
(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Recht haben sie!)
Das haben die Wissenschaftsorganisationen am 16. April dieses Jahres geschrieben, zwei Tage nachdem Frau Aigner das Genmaisverbot ausgesprochen hat und einen Tag bevor in dem Bescheid die Begründung geliefert wurde. Ich muss schon sagen: Wer vorurteilsfreie Untersuchungen verlangt, der muss sie auch selbst an den Tag legen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Wissenschaftsgemeinschaft hat sich damit keinen Gefallen getan.
Ich sehe dieses Vorgehen auch in anderer Hinsicht mit Sorge: Was mögen
all diejenigen Forscher und Wissenschaftler empfinden, die nicht
unterstützt von der entsprechenden Industrie Forschungen betreiben,
wenn ihre eigenen Wissenschaftsorganisationen mit einer solchen
Erklärung gegen ihre Arbeit vorgehen?
(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] � Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kennen die schon!)
Ich glaube, dass die Entscheidung richtig ist. Was mich allerdings wundert, ist die Uneinigkeit innerhalb der Bundesregierung. Der Vorschlag von Frau Ministerin Schavan � sie ist jetzt leider nicht hier �, einen runden Tisch einzurichten, ist gut; ein runder Tisch ist immer gut. Aber dieser Vorschlag kommt ein bisschen spät. Ich hätte erwartet, dass sich die beiden aus einer Fraktion stammenden Ministerinnen, die für Verbraucherschutz und für Forschung zuständig sind, abstimmen und austauschen.
Wenn das BMBF diese Entscheidung jetzt kritisiert, hat es auch die Verpflichtung, die wissenschaftlichen Belege nachzureichen. Ich denke, es gibt einen politischen Grund, warum so verfahren worden ist: den Zeitpunkt. Der Zeitpunkt ist in der Tat zu bemängeln. Ich glaube, in Bayern brennt die Bude. Der CSU schwimmen die Felle davon.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Jetzt wird mit großem Populismus versucht, darauf zu reagieren. Ich habe eine ähnliche Situation in Nordrhein-Westfalen erlebt. Wir Sozialdemokraten haben immer geglaubt, wir würden in Nordrhein-Westfalen ewig regieren.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Das, was Sie tun, sind die ersten Anzeichen. Das darf sich nicht auf die Bundesregierung auswirken. Ich fordere die Kanzlerin ausdrücklich auf, den Konflikt zwischen BMBF und BMELV endlich zu lösen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle:
Deutscher Bundestag 2009, Plenarprotokoll 16/217 vom Donnerstag, den 23. April 2009
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/16/16217.pdf