„Wir müssen reden": René Röspel MdB diskutiert mit der Parteibasis offen und konstruktiv über SPD-Strategie.
Wegen der engen Terminlage lagen zwischen der Einladung und dem Diskussionsabend in der AWO-Begegnungsstätte Boelerheide kaum 48 Stunden – trotzdem folgten fast siebzig Mitglieder der SPD aus Hagen und dem südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis dem Aufruf des heimischen Abgeordneten René Röspel, über Folgen des Scheiterns der Berliner Jamaika-Sondierungen zu diskutieren.
Röspel wollte weniger ein Votum der Parteibasis abholen als ein Stimmungsbild – entsprechend offen und kontrovers wurde über Neuwahlen, die Fortsetzung der „Groko" oder andere Möglichkeiten diskutiert. Zur Einstimmung berichtete Röspel von den Diskussionen innerhalb seiner Fraktion, die über den sehr differenzierten Beschluss des Parteivorstands vom Montag geführt wurden: Einerseits habe das Parteipräsidium am Wahlabend zu Recht eine große Koalition ausgeschlossen, andererseits scheue man Neuwahlen nicht. Das lasse erst einmal alles offen – Frau Merkel sei weiterhin zur Regierungsbildung verpflichtet und die SPD könne in Ruhe über weitere Optionen diskutieren.
Die zahlreichen Wortmeldungen des Abends zeigten alle Möglichkeiten auf: Neuwahlen würden den Bürgern die Gelegenheit geben, die von den schwarz-gelb-grünen Verhandlern hinterlassene Situation neu zu bewerten. Aber dass die Jamaika-Parteien für das Scheitern abgestraft werden und dann die SPD profitiert, ist für die Genossen nicht ausgemacht – viele von ihnen drückten die Befürchtung aus, dass „Neuwahlen nur den Falschen helfen": am Ende würde von Neuwahlen nur die AfD profitieren. Sollte die SPD aber noch schlechter abschneiden, wäre von ihr nicht mehr viel übrig. Trotz dieser Bedenken erklärte eine engagierte Vertreterin der Hagener Jusos: „Wir kriechen der Union nicht hinten rein". Und eine andere Jungsozialistin verglich: Groko sei wie Sex mit dem Ex – darauf habe sie „keinen Bock". Die Chancen bei Neuwahlen seien dagegen nicht schlecht: Lindner haben seine Attraktivität verloren.
Deutlich meldete sich ein in den Wahlkämpfen sehr aktiver Genosse zu Wort: Sowohl die Bevölkerung noch die eigene Basis seien für einen neuen Wahlkampf nicht zu begeistern. Ein altgedienter Genosse aus Gevelsberg zog daraus den Schluss mit der Frage: „Warum denn keine Groko?" Deutschland gehe es schließlich gut, und die SPD-Minister in den großen Koalitionen von Nahles bis Steinmeier hätten gute Arbeit und wichtige Punkte gemacht. Viele teilten die strategische Überlegung: Die Union dagegen sei geschwächt wie nie – in Sondierungsverhandlungen könne man wichtige sozialdemokratische Themen durchsetzen: Weitreichendes Entgegenkommen bei Einführung der Bürgerversicherung, eines sozialen Arbeitsmarkts und anderen wichtigen Vorhaben, um die Gesellschaft besser und gerechter zu gestalten. Wenn es dabei keine Zugeständnisse von Merkel gäbe, müsse eben neu gewählt werden.
Zwischen den beiden naheliegenden Optionen Groko oder Neuwahl ließ die Debatte Platz für andere Modelle – von der Möglichkeit einer schwarz-rot-grünen „Kenia-Koalition" (gegebenenfalls ohne die CSU und ohne Kanzlerin Merkel) bis zur Duldung einer Minderheitsregierung – im Austausch von Argumenten über die Parteigrenzen hinweg würde sich für die Sozialdemokraten die Chance ergeben, eigene, neue Themen zu erarbeiten.
René Röspel lobte seine Genossinnen und Genossen für die „hoch disziplinierte" Diskussionskultur des Abends. „Respektvoll, klug und engagiert: So macht Politik Spaß!" Er appellierte, die Diskussion in den Ortsvereinen fortzusetzen und die Ergebnisse ans Willy-Brandt-Haus in Berlin rückzukoppeln: Am Ende werde die Partei zu entscheiden haben; der Bundesparteitag in Berlin in zwei Wochen werde eine wichtige Rolle spielen.