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Schutz von Mensch und Umwelt bei Freisetzungsexperimenten

05.07.2007

Rede zum Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN "Schutz von Mensch und Umwelt bei Freisetzungsexperimenten gewährleisten" (Drs. 16/4556, 16/5755) sowie zum Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN "Keine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Gelände des Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben" (Drs. 16/4904, 16/5893)

René Röspel (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich habe, wie sicherlich viele andere auch, den TAB-Bericht, also den Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, zu transgenen Pflanzen der 2. und 3. Generation, also gentechnisch veränderter Pflanzen, mit Interesse gelesen und muss sagen: Die Autorinnen und Autoren haben eine vernünftige Analyse abgeliefert. Sie ist in vielen Fällen gut begründet und nachvollziehbar.

Viele dieser Forderungen sind ja in den grünen Antrag aufgenommen worden. Deswegen kann ich ihn an diesen Stellen inhaltlich gar nicht ablehnen. Die Forderung, dass zum Beispiel gentechnisch veränderte Pflanzen, die pharmazeutische Wirkstoffe, also fast Arzneimittel oder Arzneimittel, enthalten oder produzieren, nicht freigesetzt werden sollen, entspricht der TAB-Forderung, dass so etwas erst im geschlossenen System, das heißt im Glashaus, stattfinden sollte. Dies ist anders als bei der normalen Pharmaproduktion. Wer je in einem Pharmabetrieb war, weiß, dass dort absolut standardisierte, kontrollierbare, nachvollziehbare und unveränderliche Produktionsbedingungen herrschen müssen, damit eine Reinheit und absolute Qualität des Produkts gewährleistet sind.

Anders sieht es auf einem normalen Feld aus. Jeder Gärtner und jede Landwirtin weiß: Je nach Wetter, Niederschlagsmenge, Trockenheit, Bodenbeschaffenheit, Klima, Sturm und anderen klimatischen Bedingungen bekommt man kleine oder große bzw. saure oder süße Äpfel und eine gute oder eine schlechte Ernte. Die äußeren Bedingungen sind nicht kontrollierbar und nicht vom Menschen beeinflussbar. Welche Folgen es hat, wenn man sensible Stoffe innerhalb von gentechnisch veränderten Pflanzen ausbringt, steht noch in den Sternen bzw. ist zumindest nicht eindeutig belegt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist purer Unsinn! Das muss man mal ganz klar sagen!)

Im Jahr 2007, also in diesem Jahr, ist eine Studie von Nguyen und Jehle erschienen. Beide Autoren haben einige Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen bzw. mit BT-Mais untersucht. Diese Pflanzen haben selbst Insektengift produziert. Selbst bei Pflanzen, die sich auf demselben Acker befanden, haben sie völlig unterschiedliche Konzentrationen des Insektengiftes festgestellt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch ganz normal!)

Das ist durch die Ergebnisse der jüngsten von Greenpeace finanzierten Studie bestätigt worden. Man kann diese Studie befürworten oder ablehnen. Auf jeden Fall aber war sie viel breiter angelegt, was die Zahl der Proben angeht, und sie war, wie ich glaube, wissenschaftlich deutlich fundierter. In dieser Studie zeigen sich eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen Pflanzen, sogar bis zu hundertfache Unterschiede in der Konzentration des produzierten Insektengiftes.

Das kann man auf unterschiedliche klimatische Verhältnisse, unterschiedliche Bodenverhältnisse oder sonstige Gründe zurückführen. Dafür kann man aber auch die unterschiedliche Beschaffenheit der Pflanzen verantwortlich machen. Das Problem ist schlicht und einfach - ich war sehr überrascht, dass ich, als ich dieser Frage nachging, zu diesem Ergebnis kam -, dass es keine harmonisierten und standardisierten Methoden zur Bewertung gentechnisch veränderter Pflanzen gibt.
Das erste Beispiel, das ich anführen möchte, ist der berühmte MON 863. Dabei handelt es sich um gentechnisch veränderten Mais, der für seine Zulassung an Ratten verfüttert worden ist. Der Hersteller Monsanto sagte, dass kein Risiko bestehe. Das ist von der zuständigen europäischen Behörde zunächst bestätigt worden. Dann gab es eine Studie französischer Forscher, die dieselben Daten genau untersucht und große Unterschiede festgestellt haben, die ich persönlich beim Lesen der Veröffentlichung habe nachvollziehen können. Wenn solch große Unterschiede und Abweichungen zwischen den einzelnen Ratten und den Kontrollgruppen als normal angesehen werden - sie waren sehr deutlich -, dann muss man sich fragen, warum Tierversuche überhaupt durchgeführt werden.

Die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, hat das Ganze erneut analysiert und sagt jetzt, dass es keine Probleme gibt und dass kein Risiko besteht. Es existieren also unterschiedliche Bewertungsmethoden, die nicht standardisiert sind.

Das zweite Beispiel - es ist heute schon angeführt worden - ist die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit sagt, dass sie ungefährlich ist. Die Europäische Arzneimittelagentur hingegen hält Teile dieser Kartoffel für bedenklich, schlicht und einfach, weil sie Antibiotikaresistenzgene enthält, die zumindest problematisch sein könnten.

(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Nein! Als Stärkemittel kann man sie benutzen!)

Es fehlen also eindeutige und standardisierte Bewertungsmethoden. Deswegen können wir keine wissenschaftlich fundierte und politisch vernünftige Antwort auf die Frage nach dem Risiko geben.

Dass wir mit dieser Einschätzung nicht allein sind, wird an verschiedenen Stellungnahmen deutlich, in denen die Forderung aufgestellt wurde, endlich solche Standards zu entwickeln. So fordert der Verein Deutscher Ingenieure, sicherlich nicht für seine Radikalität bekannt, in seinen Richtlinien zur Beachtung der ökologischen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen ein standardisiertes Vorgehen zur Vergleichbarkeit durch mehrere Institutionen über Ländergrenzen hinweg.
Im VDI-Handbuch Biotechnologie Band 1 vom Oktober 2006 heißt es:
Die Dokumentation der Messgrößen, Erhebungsintervalle und Erhebungsorte muss standardisiert werden und in einer idealerweise zentralen Meterdatenbank erfolgen.
Vor diesem Hintergrund halte ich zumindest die Freisetzung dieser Pflanzen für problematisch. Wir Sozialdemokraten werden uns weiter dafür einsetzen, dass der Schutz der Verbraucher und die Koexistenz in Deutschland möglich sind.
Herr Präsident, erlauben Sie mir, zum Schluss eine persönliche Bemerkung an den Kollegen Dr. Patziorek zu richten, und zwar nicht nur von Westfale zu Westfale und von Schalker zu Schalker:

(Ursula Heinen [CDU/CSU]: Ach du dickes Ei!)

Ich habe unsere Zusammenarbeit in den letzten Jahren trotz aller inhaltlichen Unterschiede als sehr angenehm und fair empfunden und wünsche Ihnen für Ihr neues Amt als Regierungspräsident im schönen Münster alles Gute und eine glückliche Hand.

Vielen Dank.

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: