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Innovationen für Deutschland

Rede zum Antrag "Innovationen für Deutschland durch das Siebte Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union"

18.01.2007

René Röspel (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Pieper, Sie haben die Rede von vor fünf Monaten noch einmal gehalten.

(Cornelia Pieper [FDP]: Das kann ich Ihnen nicht oft genug erzählen!)

Deswegen will ich gar nicht weiter darauf eingehen, bis auf zwei Punkte vielleicht. Darüber, dass Sie bei der Stammzellenforschung falsch liegen, werden wir morgen in aller Breite debattieren. Dann werden wir die Diskussion führen und die Argumente austauschen. Was die Entwicklungshilfe für China anbelangt, will ich nur eine Bemerkung machen: Aus meiner Sicht tobt der Kapitalismus nirgends schlimmer als im kommunistischen China.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es dort Menschen gibt, die in bitterer Armut leben und denen deutsche Entwicklungspolitik mit konkreten Projekten helfen kann, dann sind die 300 Millionen Euro gut angelegtes Geld, auch für die Beziehungen in der Welt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Europa ist klüger, als viele Menschen denken. Das erlebt man in den täglichen Debatten. Aber Europa kann noch klüger werden. Vor allem muss Europa noch klüger werden. Deshalb hat sich der Europäische Rat in Lissabon im März 2000 ein strategisches Ziel für dieses Jahrzehnt gesetzt. Er schreibt, Europa solle zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden. Seit 17 Tagen ist die Europäische Union ein Stück weiter und auf einem guten Weg; denn seit 17 Tagen ist das 7. Forschungsrahmenprogramm in Kraft. Über 50 Milliarden Euro werden in den Jahren 2007 bis 2013 zur Verfügung gestellt, um die EU zum weltweit führenden Forschungsraum zu machen. Das Geld wird in viele sinnvolle Bereiche investiert.

Allein 6 Milliarden Euro gehen in ein Gesundheitsforschungsprogramm, das dazu dienen soll, die Gesundheit der Bürger in unserem Europa zu verbessern. Klinische Forschungen über Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten und auch über bisher vernachlässigte Krankheiten, die häufig in der Dritten Welt eine Rolle spielen, sollen stärker unterstützt werden. Besonderes Augenmerk im Rahmen der Gesundheitsforschung wird auf Kindergesundheit und auf Altersforschung gelegt.

2,3 Milliarden Euro stehen für Energieforschung zur Verfügung. Da ist das Ziel nicht die Steigerung, sondern die Minderung des Energieverbrauchs, also mehr Energie sparen. Darauf wird mein Kollege Dieter Grasedieck gleich sehr ausführlich eingehen. 1,8 Milliarden Euro werden in Umweltforschung investiert, zum Beispiel für Umwelt und Gesundheit, für die Erhaltung der biologischen Vielfalt, aber auch für Klimaforschung. Wie wichtig das ist, hat uns das Wetter in den letzten Wochen ahnen lassen, und das werden wir vielleicht auch im Laufe des heutigen Tages merken.

(Beifall bei der SPD)

Sinnvoll ist deswegen auch, dass die Europäische Union mit diesem Rahmenprogramm 4,2 Milliarden Euro für Verkehrsforschung investieren wird; denn 25 Prozent, also ein Viertel aller Kohlendioxidemissionen, die für den Treibhauseffekt verantwortlich sind, kommen aus dem Verkehr. Da müssen wir in Europa sehr viel besser werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

1,3 Milliarden Euro werden für ein Sicherheitsforschungsprogramm ausgegeben. Hier sollen neue Techniken entwickelt werden, um die EU und deren Bürger gegen Bedrohungen wie Terrorismus, Naturkatastrophen und Kriminalität zu schützen. Auch wenn - siehe ganz aktuell Spanien und ETA - die Gefahr der terroristischen Bedrohung in Europa vorhanden ist und zweifelsohne nicht wegdiskutiert werden kann, so haben wir doch einige Probleme mit der Intention und mit der Ausführung des Programms. Wenn man glaubt, Menschen fühlten sich in erster Linie durch Terrorismus bedroht, dann greift das zu kurz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man beispielsweise die Schüler der Geschwister-Scholl-Schule in Emsdetten fragen würde, wovon sie sich aktuell bedroht fühlten, dann würde man sicherlich eine andere Antwort erhalten als die, die der Hausbesitzer in Königstein an der Elbe geben würde, dessen Haus 2002 beim Elbhochwasser zerstört worden ist. Hinsichtlich des Sicherheitsbedürfnisses - ich schaue die Kollegin Arndt-Brauer an - der Ochtruper im Münsterland sind sicherlich die Erinnerung an den letzten Winter und die Erfahrung zu berücksichtigen, mehrere Tage ohne Strom auskommen zu müssen, weil die Strommasten der Schneelast nicht haben standhalten können. Auch das ist eine Frage von Sicherheit und Sicherheitsempfinden. Deshalb ist es richtig, dass wir im Koalitionsantrag Wert darauf legen, dass die Gefahren und Risiken untersucht werden, denen die Menschen tatsächlich und in ihrem alltäglichen Umfeld ausgesetzt sind.

(Beifall bei der SPD)

Sicherheitsforschung muss die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen.
Wir legen ausdrücklich auch Wert darauf, dass auf europäischer Ebene und durch deutsche Programme keine Forschung unterstützt wird, die unmittelbar auf militärische Zwecke ausgerichtet ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit dem 7. Forschungsrahmenprogramm wird - Frau Ministerin hat das schon erwähnt - ein neuer Schritt gegangen: Der Europäische Forschungsrat wird eingerichtet; Forscher aller Fachrichtungen können Projektmittel beantragen; insgesamt 7,4 Milliarden Euro stehen zur Verfügung. Einziges Kriterium für die Vergabe der Mittel ist die Exzellenz der beantragten Arbeit. Wir wünschen in diesem Sinne dem Gründungsgeneralsekretär und ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Winnacker, viel Glück und Erfolg. Das ist ein guter Schritt, den Europa damit tut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Europäischer Forschungsrat bedeutet: freie Fahrt für exzellente Forschung, aber im Rahmen der Leitplanken, die von der Gesellschaft durch Werte und Gesetz vorgegeben werden! Von dieser Stelle darf ich an die EU einmal die dringende Aufforderung richten, etwas mehr Sensibilität bei gesellschaftlich umstrittenen Fragen, die in den Mitgliedstaaten sehr differenziert diskutiert werden, an den Tag zu legen.

Von diesem 50-Milliarden-Euro-Programm werden nicht nur die Wirtschaft, die Forschung und die Lehre profitieren; es ist gleichzeitig ein gewaltiges Investitionsprogramm, von dem auch die Wirtschaft profitieren wird. Aber halt: Nur nehmen gilt auch nicht. Frau Ministerin Schavan hat in den letzten Tagen und auch in der heutigen Debatte ausdrücklich und mit Recht darauf hingewiesen, dass sie von den Unternehmen mehr und stärkere Investitionen in Forschung und Entwicklung und in Ausbildung verlangen muss und kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ausbildung und Forschung sind nicht nur Aufgaben der öffentlichen Hand, sie sind nicht nur im Interesse der Wirtschaft, sondern eigentlich deren Handlungsbasis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zu Beginn meiner Rede habe ich das Lissabonziel zitiert; danach soll Europa zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden. Mit diesem Programm geht es aber nicht nur darum, Platz eins in der Welt zu erobern, sondern auch darum, Europa nach innen zu entwickeln und zu stabilisieren. Wenn wir es mit diesem Programm schaffen, den jungen Menschen, die oben auf den Besuchertribünen sitzen, in einem zusammenwachsenden und stabilen Europa eine Perspektive zu geben, eine gute Ausbildung zu ermöglichen, bei ihnen vielleicht das Interesse zu wecken, Ingenieur oder Forscher zu werden - Wissenschaft macht nämlich ungeheuer Spaß -, und später eine gesunde Umwelt und ein stabiles Europa vorzufinden, dann haben wir ein wichtiges Ziel erreicht und dann wäre ich sogar zufrieden, wenn wir nur Platz zwei in der Welt erobern.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: