Biotechnologie als Schlüsseltechnologie
Rede zum TOP „Beratung des Antrags der CDU/CSU: Biotechnologie als Schlüsseltechnologie stärken“
René Röspel (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie jedes Jahr liegt uns wieder ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Biotechnologie vor.
(Ulrike Flach [FDP]: Jeden Monat! - Katherina Reiche [CDU/CSU]: Wir machen wenigstens etwas!)
Wie jedes Jahr wollen Sie uns wieder Versäumnisse vorwerfen und wie jedes Jahr wird Ihnen das wieder nicht gelingen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Der jetzige Antrag trägt einen neuen Titel: „Biotechnologie als Schlüsseltechnologie stärken“. Eingebracht haben Sie den Antrag am 9. Dezember 2003, einen Tag, bevor wir die Anhörung im Forschungsausschuss hatten, die sich mit Biotechnologie als Schlüsseltechnologie befasst hatte. Vielleicht hätten Sie einfach einmal ein wenig länger warten sollen, dann hätten Sie die Erkenntnisse aus dieser Anhörung in Ihrem Antrag verwerten können und dann wäre er vielleicht ein bisschen besser geworden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Ulrike Flach [FDP]: Aber die Ergebnisse waren vernichtend!)
Der Sachverständige Dr. Ulrich Dolata (Katherina Reiche [CDU/CSU]: Ja, der war der Einzige!) hat in der Anhörung am 10. Dezember eine Definition zur Schlüsseltechnologie gegeben. Er hat drei Merkmale für Schlüsseltechnologien genannt: Das erste Kriterium für eine Schlüsseltechnologie ist, dass sie Durchbrüche in der Grundlagenforschung bewirkt, das zweite, dass es daraufhin eine Welle von Basisinnovationen gibt, das dritte ist die Erschließung neuer Märkte durch eine beachtliche Zahl neuer Produkte und Verfahrensinnovationen. Als viertes mögliches Kriterium hat er noch genannt, dass sie in aller Regel zu doch beträchtlichen Veränderungen in Lebensweisen und Konsummustern einer Gesellschaft führe. Die Biotechnologie erfüllt mindestens die ersten drei Kriterien. Auch deshalb wird die Biotechnologie von SPD und Bundesregierung massiv gestützt und unterstützt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Wir würden dies übrigens auch tun, wenn es keine Schlüsseltechnologie wäre, weil Grundlagenforschung für uns ein Wert an sich ist, den es zu unterstützen gilt. Wenn dann noch wirtschaftliche Bedeutung und Anwendung hinzukommen, ist das erst recht der Fall; dann ist das gut und wunderbar. Deswegen unterstützen wir die Biotechnologie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Allerdings interessiert uns die ethische Bewertung einer neuen Technologie genauso wie die ökologischen Auswirkungen und die wirtschaftliche Bedeutung. Der eben zitierte Dr. Dolata sagte, Gentechnologie sei keine universell einsetzbare Technologie, sie habe einen sehr eingeschränkten Anwendungsbezug. Er sieht zum Beispiel die Beschäftigungsfrage eher skeptisch. In der Tat wird im Bericht zur Biotechnologie von Ernst & Young aus dem Jahre 2003 davon gesprochen, dass in Deutschland etwa 13 400 Beschäftigte in diesem Bereich arbeiten. Wenn man das beispielsweise mit der Windenergiebranche vergleicht, ist das eine kleine Zahl. Nichtsdestotrotz wird die Biotechnologie von uns und unserer Regierung herausgehoben und gut gefördert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Sie werfen uns immer vor, wir täten nicht genug für diese Branche; das steht, zumindest unterschwellig, auch in Ihrem Antrag. Das allerdings, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht meilenweit an der Realität vorbei. Sie sollten die Realität nicht bestreiten.
Ich will nicht leugnen, dass - das erwähne ich ausdrücklich - auch in der Regierungszeit von Helmut Kohl wichtige Schritte zur Entwicklung der Biotechnologie gegangen worden sind; Sie haben wichtige Initiativen ergriffen.
(Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Seitdem geht es leider abwärts!)
Das gehört zur Wahrheit und das lässt sich von diesem Pult aus durchaus einmal verkünden.
Wahrheit ist aber auch - das darf ebenfalls nicht bestritten werden -, dass während der letzten Jahre der Amtszeit Helmut Kohls der Forschungsetat regelmäßig gekürzt worden ist.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Jürgen Rüttgers ist immer mit großen Forderungen in das Amtszimmer von Helmut Kohl gegangen und mit einem gekürzten Etat wieder herausgekommen. Zukunftsminister, hat man mir gesagt, sei Jürgen Rüttgers wohl deswegen genannt worden, weil der Altkanzler Kohl ihm immer gesagt habe: In Zukunft wird alles besser.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Recht hat er behalten, der alte Kanzler; die Zukunft brach 1998 mit der Übernahme der Regierung durch Rot-Grün und der Übernahme des Ministeriums durch Edelgard Bulmahn als Bundesministerin für Bildung und Forschung an.
(Katherina Reiche [CDU/CSU]: Ach du liebe Zeit! Es ist so schlecht wie nie!)
Die realen Zahlen beweisen das schlicht und einfach; man kann sie sich überall heraussuchen, auch Sie, Herr Kretschmer, der Sie erst 2002 ins Parlament gekommen sind.
(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Kommen Sie zurück nach Deutschland!)
Die im Bundeshaushalt für Bildung und Forschung vorgesehenen Ausgaben lagen 1997 und 1998 fast unverändert bei jeweils 10,2 Milliarden Euro. Das nennt man üblicherweise Stagnation. Erst 1999 wurden sie auf 10,3 Milliarden Euro erhöht, 2000 auf 10,5 Milliarden Euro und 2001 auf 11,5 Milliarden Euro; heute liegen sie bei 12,5 Milliarden Euro. In Prozenten ausgedrückt ist das gegenüber 1998 eine Steigerung des Haushaltes für Bildung und Forschung um satte 22 Prozent.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Ich glaube, Jürgen Rüttgers wären vor Stolz die Jackenknöpfe geplatzt, wenn er einen solchen Etat hätte vorweisen können.
(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Und draußen stehen die Unternehmen und sagen - -)
- Herr Kretschmer, das ist das, was wir als Regierung tun können und was Sie in Ihrem Antrag fordern.
Diese Steigerungsraten gelten auch für die Biotechnologie. Sie handeln als Opposition hart an der Grenze der Redlichkeit, wenn Sie uns vorwerfen, dass der Ansatz im Haushalt 2003 für den Bereich Biotechnologie mit 106 Millionen Euro geringfügig unter dem Ansatz im Haushalt 2002, also des Vorjahres, mit 109 Millionen Euro liege.
(Jörg Tauss [SPD]: Das ist schon unredlich!)
Das waren im Ist-Ansatz, also bei den abgeflossenen Mitteln, 3 Millionen Euro weniger. Aber wenn Sie so argumentieren, dann müssen Sie auch sagen, dass wir es waren, die die Mittel mit einer gewaltigen Anstrengung auf das Niveau von 109 Millionen Euro erhöht haben.
(Beifall bei der SPD)
1998 waren es lediglich 86 Millionen Euro. Wir haben die Mittel auf 100 Millionen Euro hochgezogen; das ist eine Erhöhung um satte 23 Prozent. Eine solche Steigerung im Biotechnologieetat hat es vorher nie gegeben. Aber wir kennen das von Ihnen, auch aus anderen Diskussionen des heutigen Tages: Hätten wir um 50 Prozent erhöht, wäre auch das zu wenig gewesen. Sie aber schlagen eine Steuerreform vor, mit der Sie Besserverdienende entlasten wollen, was den Staat 10 Milliarden Euro kostet. In jedem Etat fordern Sie neue Ausgaben, aber Sie können nicht darlegen, wo Sie das Geld hernehmen wollen. Sie wollen weniger einnehmen, aber trotzdem mehr ausgeben.
(Beifall bei der SPD)
Das passt nicht, aber das ist Ihr Glaubwürdigkeitsproblem und nicht unseres.
Wir haben für die Biotechnologie eine Menge getan und können uns damit wahrlich sehen lassen. Wir, einschließlich der Bundesregierung, haben nämlich dafür gesorgt, dass Deutschland erstmals einen Spitzenplatz in Europa eingenommen hat, was die Zahl der Biotechnologieunternehmen anbelangt. Das haben wir geschafft und nicht Sie.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Trotzdem muss man sagen, dass die kommerzielle Biotechnologiebranche an einem Punkt angelangt ist, der im Report von Ernst & Young als „Zeit der Bewährung“ und als eine beginnende „Konsolidierung“ bezeichnet wird. Während die Zahl der Biotech-Unternehmen im Jahr 1995 bei 75, im Jahr 1998 bei 222 lag und im Jahr 2001 mit 365 den Höchststand erreichte, ist die Zahl der Unternehmen im Jahr 2002 in der Tat um fünf Unternehmen auf 360 zurückgegangen. Es gibt also einen Prozess der Konsolidierung. Dieser Prozess kann auch in anderen Ländern beobachtet werden; er setzte dort schon früher ein. Es ist aber ganz normal - das wird von vielen so gesehen -, dass es in einem neuen Technologiebereich eine Konsolidierung gibt.
Die Bundesregierung hält aber nicht inne, sondern sie nimmt diese Herausforderungen an. Viele der Forderungen in Ihrem Antrag sind schon erledigt. Genomforschung, Proteomforschung, Nanobiotechnologie, Bioinformatik genauso wie Systembiologie gehören bereits zu den zentralen Punkten unseres Biotechnologie-Förderprogramms, deren Förderung in Ihrem Antrag gefordert wird.
Die Mittel für das Nationale Genomforschungsnetz, eine Erfolgsstory in der Forschungsszene, werden nicht um 135 Millionen Euro gekürzt, Frau Reiche. Ein Minus sieht nämlich anders aus. Im Gegenteil: Es kommen 135 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren hinzu.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Michael Kretschmer [CDU/CSU]: In diesem Jahr wird gekürzt!)
Herr Tauss hat vor einiger Zeit am parlamentarischen Abend des Nationalen Genomforschungsnetzes teilgenommen. Aus Ihren Reihen habe ich leider nur Herrn Bergner in Erinnerung. Er konnte die Begeisterung der Forscher über dieses Programm wahrnehmen. Dieses Programm ist eine gute und wichtige Sache. Wir werden es weiterführen.
Es gibt eine große Anzahl von Förderprogrammen, die alle das Ziel haben, die Biotechnologie, Regionen, Unternehmen sowie junge Forscher zu unterstützen. Ich kann nicht alle nennen, weil es den Rahmen meiner Rede sprengen würde.
Auch das aus meiner Sicht zentrale Problem der Biotechnologie wird vonseiten der Bundesregierung angegangen, nämlich das Fehlen von Wagniskapital. Für junge Start-ups ist es nicht einfach, Wagniskapital auf dem freien Markt zu bekommen. Deswegen gibt es den Hightech-Masterplan. Mit ihm wollen wir junge Innovationsunternehmen durch die Eröffnung von neuen Finanzierungsquellen, beispielsweise durch die Schaffung eines Dachfonds für Wagniskapital, unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es bleibt aber dabei: Letztendlich muss es der Markt richten. Der Staat kann nicht die Aufgaben übernehmen, die eigentlich die Industrie zu übernehmen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, einen Teil Ihres Antrags will ich ausdrücklich unterstützen. Ich glaube, wir brauchen dringend eine gesetzliche Regelung für die genetische Diagnostik; da haben Sie Recht. Hier ist es nur zu begrüßen, dass das Gesundheitsministerium im Frühsommer endlich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt.
Zum Schluss noch eine Bitte an die Opposition: Bringen Sie auch nächstes Jahr wieder einen entsprechenden Antrag ein! Die Debatte darüber ist immer eine gute Gelegenheit, unsere Erfolge der Öffentlichkeit vorzustellen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)